Macht der Götter - Weltgeschichte der Religionen
Macht der Götter - Weltgeschichte der Religionen
Dreiteilige Dokureihe mit Christopher Clark
Warum glauben Menschen? Was unterscheidet und was verbindet die großen Religionen? Von den Glaubensritualen der Steinzeit bis zu interreligiösen Projekten der Jetztzeit.
"Wie bei einer Erbschaft, um die sich die Familie streitet."
Christopher Clark im Interview
Professor Clark, worum geht es in Ihrer Filmreise durch die Religionen?
Immer wieder sind es Religionen, die den Lauf der Welt und ebenso das Leben der Menschen bestimmen. Der Glaube formt Gemeinschaften, verbindet und trennt, und er bestimmt das Schicksal ganzer Kontinente. Alles beginnt in der Steinzeit – mit der Vermutung, dass es noch etwas anderes geben muss als die Welt, die uns umgibt, zum Beispiel ein Jenseits. Am Anfang versuchten die Menschen, ihre Welt durch Magie und Kulte zu ordnen. Dann kamen die alten Hochkulturen. Ob in Mesopotamien, Ägypten oder Indien, bei den Maya und Inka – die Menschen füllten ihren Himmel mit Göttern für alle Gelegenheiten. Später entstanden dann die monotheistischen Religionen mit Gottesanbetung, die wir heute noch kennen. Das alles zeigen wir in unserer dreiteiligen Dokumentation. Von den ersten Tempeln der Menschheit, die vor mehr als 10.000 Jahren entstanden, über den Hinduismus und die ägyptischen Götter bis zu Judentum, Christentum und Islam erzählen wir die gesamte höchst spannende Geschichte der Spiritualität. Und damit nicht genug: Wir wollen auch zeigen, welchen Einfluss die Religionen auf den Lauf der Weltgeschichte hatten und haben.
Gibt es denn nicht auch Religionen ohne einen Gott?
Ja, einen Glauben ohne Gott gibt es: den Buddhismus. Siddharta Gautama, der Gründer, wuchs als Hindu auf und erlebte etwas, das er "Erwachen" nannte – eine innere Transformation, oft auch "Erleuchtung" genannt. Wie die Hindus glauben auch die Buddhisten daran, dass der Mensch eine unsterbliche Seele besitzt, die nach dem Tod wiedergeboren wird. Ziel der religiösen Übungen ist es jedoch, diesen ewigen Kreislauf des Lebens und des Leidens zu durchbrechen und ins Nirwana, einen Zustand des Nicht-Seins, zu gelangen. Um das zu erreichen, beschreiten Buddhisten den sogenannten achtfachen Pfad, der durch das "Rad der Lehre" symbolisiert wird. Da heißt es zum Beispiel: Bemühe dich um Weisheit und verhalte dich immer richtig. Sei gelassen und friedfertig. Lüge niemals. Tue keinem Lebewesen Böses und stiehl nicht. Erinnert daran nicht Manches an die zehn Gebote im Judentum und im Christentum?
Aber wie ist dieser Gedanke von einem Gott entstanden, der auch noch weltlicher Herrscher ist?
Letztlich ging es wohl um Macht. Man hat in einer höher entwickelten und komplizierter werdenden Welt eine einzige mächtige Instanz haben wollen, die letztgültige Entscheidungen trifft – auf die man sich auch als Herrscher berufen kann. In dem einen Gott ist die Macht natürlich konzentrierter, als wenn sie sich auf viele Götter verteilt. Es ist wohl kein Zufall, dass das Entstehen des Monotheismus, des Glaubens an den einen einzigen Gott, mit dem Entstehen und der Expansion großer Reiche zusammenfällt. Die religiöse Macht wurde dann mit der weltlichen gekoppelt, Thron und Altar wurden zur Einheit. Und das Gottesgnadentum entstand. Noch in unserer Zeit werden beispielsweise die englischen Könige vor ihrer Krönung mit heiligem Öl gesalbt, das in der Jerusalemer Grabeskirche gesegnet wird. Auch bei König Charles III. war es so.
Was unterscheidet das Christentum von den anderen Religionen?
Nach dem christlichen Glauben hat sich ein Gott selbst am Kreuz mit dieser Welt versöhnt. Das ist eine vollkommen neue Idee. Die Trennung zwischen Schöpfer und Geschöpf – zwischen Gott und Mensch – gilt plötzlich nicht mehr. Gott selbst hat in dem Menschen Jesus Christus sich selbst opfern lassen, und damit die Menschen befreit, geheilt, ihnen vergeben und sie erlöst. Im Zentrum der christlichen Religion stand damit nicht ein machtstrotzender Herrscher des Himmels, sondern ein gequälter, sterbender Menschengott. Das Leiden steht im Mittelpunkt und damit auch das Mitleid. Das war ganz neu. Es gab auch den Entrechteten Hoffnung, und so wurde das Christentum sehr erfolgreich. Der Gekreuzigte fordert die Menschen aber auch heraus. Und daraus ergeben sich zwei prägende Impulse in der Geschichte des Christentums: einerseits Barmherzigkeit und Nächstenliebe, andererseits Wut über den hingerichteten Gott. Einerseits Mildtätigkeit und Solidarität, andererseits Kreuzzüge und Pogrome. Und so gehen Nächstenliebe und Fremdenhass leider oft Hand in Hand.
Wie unterscheidet sich der Islam vom Christentum?
Muslime beten denselben Gott an wie Christen. "Dir allein dienen wir, und zu Dir allein flehen wir um Hilfe. Leite uns den geraden Weg, den Weg derjenigen, denen Du Gunst erwiesen hast, nicht derjenigen, die deinen Zorn erregt haben und nicht der Irregehenden!" Würden das nicht viele Christen unterschreiben? Das Zitat stammt aus der ersten der 114 Suren des Koran, im Islam hat dieses Gebet eine ähnliche Bedeutung wie das Vaterunser. Mit den "Irregehenden" sind nach Ansicht vieler islamischer Theologen allerdings die Christen gemeint. Für sie, die Christen, dreht sich der Glauben um die Person von Jesus Christus, den sie für den fleischgewordenen Gott halten. Für den Islam ist Jesus hingegen keine göttliche Person, sondern nur ein besonderer Prophet. Sehr oft liegen bei den Religionen die Gemeinsamkeiten und die klaffenden Unterschiede sehr dicht beieinander. Bei den Religionen verhält es sich manchmal so wie bei einer Erbschaft, um die sich die Familie streitet. Da schützt die enge Verwandtschaft nicht vor bitteren Konflikten – ganz im Gegenteil.
Wie sehen Sie die Zukunft der Religionen?
Bei all der Gewalt, die auch mit Religionen zusammenhängt, könnte man geneigt sein, zu dem Schluss zu kommen, die Religionen werden auf immer ein Hindernis auf dem Weg zum Frieden sein. Aber man darf nicht vergessen: Jede Religion birgt in sich auch eine Vision des Friedens und will eher zu einem friedlichen Miteinander beitragen, wenn sie aufgeklärt praktiziert wird. Der Missbrauch von Religion führt zu Hass und Gewalt. Ich bin da sehr hoffnungsvoll: Es hat in der Geschichte der Menschheit viele Momente und ganze Epochen gegeben, wo die Anhänger verschiedener Religionen als gute Nachbarn zusammenlebten.
Das Interview führte Thomas J. Kramer, Redaktion "Terra X".