Der Historiker taucht tief ein in die Geschichte der Reformatoren, Religionskritiker und des religiösen Fundamentalismus.
Sinnstiftende Quelle des Trostes
Durch die Reformation zerbricht die Einheit der Christen in Europa. Eine Folge ist der Dreißigjährige Krieg, der zwischen 1618 und 1648 Millionen Menschen das Leben kostet. Dann kommt der große Angriff auf die Autoritäten des absoluten Staates in Frankreich – auch auf die Kirche. Philosophen und Schriftsteller formieren sich, das Zeitalter der Aufklärung beginnt. In der Französischen Revolution werden auch Geistliche hingerichtet. Christopher Clark sucht in Paris nach den Anfängen der Grande Nation und ihrer Haltung zur Religion.
Trotz Aufklärung: Der Glaube lässt sich nicht ausrotten. Er bleibt sinnstiftende Quelle des Trostes im Alltag. Karl Marx bezeichnet ihn in den 1840er-Jahren als "Opium fürs Volk". Lenin und Stalin bekämpfen die Religion, ersetzen sie aber durch profane Feste und durch eine Art Heiligenverehrung von Helden des Kommunismus. Heute nutzt der russische Staat die Kirche als Bühne für Nationalismus und lässt Soldaten segnen, die in den Ukrainekrieg ziehen. In den USA wiederum ist der Fundamentalismus der Evangelikalen eine Triebfeder des radikalen Nationalismus, wie Donald Trump ihn propagiert. Beim Sturm auf das Kapitol 2021 spielten christliche Symbole eine wichtige Rolle.
Spannungsgeflecht zwischen Politik und Religion
Was religiöser Fundamentalismus anrichten kann, zeigt sich auch im Islam. Das Ziel des Islamismus ist die Errichtung eines islamischen "Gottesstaates". Dabei sind Islamisten oft kaum interessiert an den reichen und vielfältigen Traditionen der islamischen Lehre. Sie wenden sich sogar vom Wissensstand der alten Religionsschulen der islamischen Welt ab und hin zu einer medial höchst wirksamen Propaganda, in der die Theologie auf Kampfbegriffe reduziert wird, um Gewalt und Terror zu rechtfertigen. Aber hat die Gewaltbereitschaft mancher Islamisten ihren Ursprung in der Religion? Die wahre Ursache liegt eher in politischen Konflikten, die historisch weit zurückreichen.
Dem Spannungsgeflecht zwischen Politik und Religion begegnet Christopher Clark in der Geschichte der Religionen immer wieder. Dabei birgt jede Religion eine Vision des Friedens, und es hat in der Geschichte der Menschheit ganze Epochen gegeben, in denen die Anhänger verschiedener Religionen als gute Nachbarn zusammenlebten.
"House of One"
Heute gibt es entsprechende Initiativen wie das "House of One"-Projekt in Berlin, das den interreligiösen Austausch fördern soll. Das Spirituelle, gleich welcher Spielart, bietet Menschen Orientierung und Sicherheit in einer fragmentierten und zunehmend bedrohten Welt. Christopher Clark spricht mit den Initiatoren des Berliner Projekts, einem Imam, einem Rabbi und einem Pfarrer.