Früher fand das Wissen der Welt noch Platz in einem Bücherregal. Heute umfasst das Internet Milliarden Webseiten, und jedes Jahr wächst die Datenmenge schneller. Doch die Antworten auf die großen Fragen der Gegenwart und Zukunft lassen sich nicht in Milliarden von Google-Links und Wikipedia-Artikeln finden. Die Welt verändert sich schneller, als wir dem Neuen folgen können. Verbunden mit dem Gefühl der Überforderung macht sich die Sorge breit, den Herausforderungen der Zukunft nicht gewachsen zu sein.
Die Erde ist nicht mehr Mittelpunkt
Das Problem ist nicht neu. Zu allen Zeiten gab es Entwicklungen, die die Menschen überforderten. Ein Blick in die Vergangenheit kann daher Horizonte für die Zukunft öffnen: Wie gelang es früher Menschen, mit umwälzenden Neuerungen umzugehen? In „Terra X – Faszination Universum“ zeigt Harald Lesch, welche Strategien und Fähigkeiten dabei helfen können, sich im Labyrinth von neuem Wissen nicht zu verirren und nicht verunsichern zu lassen. Anhand von drei Persönlichkeiten der Vergangenheit macht er deutlich, worauf es in Phasen großer Umbrüche ankommt.
Nach dem Astronomen Nikolaus Kopernikus (1473–1543) ist eine Zeitenwende benannt. Seine Flexibilität im Denken ebnete ihm den Weg zu einem völlig neuen Blick auf die Welt. Wenn die Erde nicht mehr im Zentrum steht, sondern sich um die Sonne bewegt, so seine Überlegung, würden Berechnung und Beobachtung besser übereinstimmen. Kopernikus‘ bahnbrechende Theorie, das heliozentrische Modell, war eine Kränkung für den Menschen, denn fortan stand er nicht mehr im Mittelpunkt des Kosmos. Es wurde aber auch eine ungeheure Dynamik in Gang gesetzt. Denn wenn der Himmel sich berechnen ließe, musste das auch für alles Irdische gelten. Wissenschaft wurde zum Schlüssel. Könnte auch heute ein Blick in den Himmel unser Bild von der Welt und vom Kosmos auf den Kopf stellen?
Der Mensch ist Teil der Natur
In einer Zeit, in der die Naturwissenschaften an Einfluss gewannen und die Deutungshoheit der Kirche in weltlichen Dingen ins Wanken geriet, war der Naturforscher Charles Darwin (1809–1882) einem Rätsel auf der Spur: Was verbirgt sich hinter der Vielfalt der Arten? Fünf Jahre war der junge Darwin auf dem Forschungsschiff Beagle um die Welt gesegelt. Zurück in England machte er sich an die systematische Auswertung seiner riesigen Sammlung von Tieren und Pflanzen, die er aus der Ferne mitgebracht hatte. Besonders interessierte er sich für die Finken aus seiner Galapagos-Sammlung. Er studierte ihre unterschiedlichen Schnabelformen und fasste einen ungeheuren Gedanken: Die Finkenarten ähneln sich, weil sie alle den gleichen Ursprung, denselben Vorfahren haben. Die Unterschiede in der Schnabelform haben sich erst mit der Zeit entwickelt. Darwin entwickelt die Idee eines Stammbaums und entdeckt die treibenden Kräfte hinter der Veränderung: Zufall und Auslese.
Dass auch der Mensch das Ergebnis eines biologischen Ausleseprozesses ist und damit nicht mehr die Krone der Schöpfung, galt dem Begründer der Psychoanalyse Sigmund Freud (1856–1939) als zweite Kränkung der Menschheit. Freud fügte mit seiner eigenen Theorie eine dritte Kränkung hinzu: Der Mensch sei „nicht mehr Herr im eigenen Haus“. Schon als junger Arzt kam Freud zu dem Schluss, dass es einen dunklen, noch unerforschten Bereich der Psyche geben müsse: das Unbewusste. Gegen die Konventionen seiner Zeit entwickelte der Professor seine berühmte Theorie: Unser Handeln ist nicht allein von der Vernunft bestimmt. Der Mensch wird von Triebkräften gesteuert, über die er wenig Kontrolle hat.
Wie bewahrt man den Überblick?
Alle drei Geistesgrößen waren kreativ und konservativ genug, um nach Neuem zu suchen, ohne das Alte zu vergessen. Sie waren schlau und neugierig genug, um das eigene Denken immer wieder zu hinterfragen und nach neuen Verknüpfungen zu suchen. Welches Wissen, welche Bildung brauchen wir, um in der Informationsflut die Orientierung nicht zu verlieren und Fakt von Fake zu unterscheiden? Welche Voraussetzungen brauchen wir, um bei wichtigen Zukunftsfragen wie etwa der Anwendung von Gentechnik mitreden zu können? Harald Lesch macht deutlich: Der Zugang zu der unüberschaubaren Menge an Informationen ist dafür weder der einzige noch der entscheidende Faktor.