Grönland - Leben mit den Inuit
Grönland - Leben mit den Inuit
Vierteilige Dokureihe
Qaanaaq ist die Metropole Nordgrönlands. Das Leben der 600 Einwohner in der unwirtlichen Kälte ist geprägt von Traditionen, tradiert von Generation zu Generation. Doch dieses Leben ändert sich rapide.
Drei Fragen an die Filmemacherin Josefin Kuschela
Vor zwei Jahren strandet Filmemacherin Josefin Kuschela auf einer Reise in Qaanaaq, dänisch Thule, und verbringt eine längere Zeit mit den Menschen in dem kleinen Ort. Beeindruckt und fasziniert von den einzigartigen Erlebnissen entschließt sie sich, das Leben der Inughuit, einer Gruppe von indigenen Grönland-Inuit, zu dokumentieren und reist mit ihrer Kamera zurück. 2024 verbringt sie mehrere Monate mit ihnen, taucht ein in die Lebenswelt der Inughuit und dokumentiert den enormen Wandel, dem diese Gesellschaft ausgesetzt ist – durch den Klimawandel, aber auch durch den Wunsch nach einem westlichen Lebenstil.
Wie kamst Du auf die Idee, Filme über die Inuit Nordgrönlands zu machen?
2022 war ich in derselben Gegend, um einen Film mit und über einen Amerikaner zu drehen, der die Dörfer besuchte. Nach zwei Jahren der Vorbereitung kamen wir damals ebenfalls im Januar an, mit dem Plan, einige Monate zu bleiben. Nach einer Woche entschied der Amerikaner, dass er doch keine Lust mehr hatte, einen Film zu drehen, und ich könne somit nach Hause fliegen. Da ich schon viel Arbeit hineingesteckt hatte und das Land und die Menschen unbedingt kennenlernen wollte, flog ich allerdings nicht nach Hause, sondern blieb auf eigene Faust da. In einem Ort, in dem man niemanden kennt, fast niemand englisch spricht, es um diese Zeit immer dunkel ist und -30 Grad sind, war das gar nicht so ein einfaches Unterfangen.
Woche für Woche begann ich dann, Menschen kennenzulernen, und durch eine Verkettung an Umständen wurde es eine so spannende Zeit, wie ich es mir zu Beginn nie vorgestellt hätte. Ich konnte mit auf Jagden gehen, wurde trotz Sprachbarriere zu den Leuten nach Hause eingeladen, und hatte am Ende sogar eigene Hunde. Beeindruckt sowohl von der Natur, als auch von der Lebensweise, hatte ich vor, noch einmal dorthin zu fahren und dieses Leben möglichst nah an den Menschen in einem Film zu erzählen.
Was hat Dich an den Menschen am Meisten beeindruckt?
Es gibt sehr viele Dinge, die man in dieser Gegend lernt. Neben dem Umgang mit der Kälte, der ewigen Dunkelheit und auch des ewigen Sonnenlichts, ist es vor allem die Mentalität der Leute. Zusammengefasst lautet diese: „Vielleicht“. Das ist die Antwort auf fast jede Frage, die man stellt. Darf ich dich filmen? Fährst du morgen jagen? Kann ich mitkommen? – „Vielleicht“. Für uns strukturgewohnte Deutsche zunächst eine schwer verdauliche Herangehensweise. Obwohl es jede Planung unmöglich macht, lehrt es doch, im Moment zu leben und mit dem „Flow“ zu gehen.
Wie ist es, einen Eisbären zu jagen?
Bisher durfte ich auf drei Eisbärjagden dabei sein. Das ist immer wieder anders, und immer wieder spannend. Die Suche nach einem Bär kann Stunden oder auch Tage dauern. Wenn der Bär dann in Sicht- und Geruchsweite ist, werden die Hunde sehr aufgeregt. Sie sind auf Eisbären trainiert. Sobald sie ihn spüren, rennen sie in seine Richtung. Dabei ist egal, welche Eisbrocken im Weg liegen, und wie der Schlitten herumgeschleudert wird. Man muss sich sehr festhalten, an den zarten Seilen, mit denen das Gepäck am Schlitten befestigt ist. Man hört den Jäger rufen „Halte dich fest, ich kann dich nicht einsammeln wenn du runterfällst“. Die Techniktasche musste dieses Schicksal erfahren, ich selbst glücklicherweise nicht. So fährt man Rodeo Richtung Eisbär, mit einer Hand am Seil, während die andere Hand versucht, eine Kamera so zu halten, dass sie das Geschehen irgendwie einfängt.
Während wir dem Bär näher kommen, werden die Rufe des Jägers an seine Hunde energievoller, die Hunde immer schneller, die Fahrt immer rasanter. Dabei vor sich diesen Bär zu sehen und zu denken „Wow, ich sehe gerade tatsächlich einen wilden riesigen Eisbären. Und wir jagen ihn, die Hunde werden ihn attackieren“, das ist schon krass und die Gefühle sind zerrissen zwischen Adrenalin, Aufregung einem Bär zu begegnen, dem Fokus dabei zu filmen, und auch Mitleid für den Bär, weil man weiß, dass er es nicht überleben wird. Kurz bevor die Hunde nah genug sind und der Jäger schießen kann, muss ich in voller Fahrt vom Schlitten springen (dabei natürlich weiterfilmen), da es sonst zu nah und gefährlich wird. Schlussendlich umzingeln die Hunde den Bär, er wird erschossen und zerlegt. Alle Teile des Bären werden verwertet. Auf der einen Seite ist da das Mitleid für den Bär, auf der anderen Seite aber auch das Verständnis für diese jahrtausendealte Lebensweise.
Die Fragen stellte Johannes Geiger