Im Sog des Schwarzen Lochs

Der erste, der die Existenz schwarzer Löcher vorhersagte, war Karl Schwarzschild. Er war Astronom und Direktor des Astrophysikalischen Observatoriums in Potsdam – dem Ort, an dem Harald Lesch die Sendereihe Terra X – Faszination Universum präsentiert. Berühmt wurde Schwarzschild durch seinen Beitrag zur Allgemeinen Relativitätstheorie von Albert Einstein. Sie sorgte mit ihrer Veröffentlichung 1916 für Aufruhr unter Physikern. In Einsteins Welt wird der Raum zum Medium, in dem die Schwerkraft wirkt. Die gegenseitige Anziehung von Massen erklärt Einstein so: Jede Masse krümmt den Raum, der gekrümmte Raum wiederum beeinflusst das Verhalten anderer Massen. Damit lassen sich Bewegungen der Planeten im Sonnensystem und im ganzen Universum beschreiben.

Bei der Berechnung eines Spezialfalls von Einsteins Gleichungen entdeckte Karl Schwarzschild: Wenn eine kugelförmige Masse sehr groß, ihr Umfang aber sehr klein ist, entsteht ein gewaltiges Gravitationszentrum. Der Raum krümmt sich so stark und die Anziehungskraft auf die Umgebung wird so groß, dass selbst das Licht nicht mehr entkommen kann. Schwarzschild gelang die mathematische Beschreibung eines schwarzen Lochs: Für jede Masse lässt sich der Radius berechnen, ab dem Licht dem schwarzen Loch nicht mehr entweichen kann – der Schwarzschild-Radius. So müsste die Masse der Erde, um ein schwarzes Loch zu bilden, auf eine Murmel mit neun Millimeter Radius schrumpfen, die der Sonne auf eine Kugel mit drei Kilometer Radius.

Bildquelle: ZDF

Die Entdeckung des Unsichtbaren erfordert ungewöhnliche Detektivarbeit. Ein seltsames Bewegungsmuster mehrerer Sterne im Zentrum unserer Galaxie brachte das Münchner Forscherteam um Reinhard Genzel in den 1990er-Jahren auf die Spur eines solchen Gravitationsmonsters. Die einzige Erklärung für die Beobachtung der Sternenbewegungen: Im Zentrum der Milchstraße, 27.000 Lichtjahre von uns entfernt, verbirgt sich ein supermassereiches schwarzes Loch, das Sterne auf ihre Bahnen zwingt – Sagittarius A* im Sternbild Schütze. Aus den Umlaufbahnen mehrerer Himmelskörper in der Nähe des schwarzen Lochs konnte die Forschungsgruppe seine Größe ableiten: 4,3 Millionen Sonnenmassen. Allein durch die Beobachtung der Umgebung ist es Genzel und seinem Team gelungen, die Existenz von etwas zu beweisen, was man nicht sehen kann.

Bildquelle: Randy Halverson

2019 wurde der Öffentlichkeit das erste direkt aufgenommene Bild eines schwarzen Lochs präsentiert – eine wissenschaftliche Sensation. Es zeigt das schwarze Loch in der Galaxie M87, einen Giganten unter den schwarzen Löchern mit rund sechs Milliarden Sonnenmassen. Wie kann man etwas komplett Dunkles fotografieren? Es ist möglich, wenn man den Schatten des schwarzen Lochs sichtbar macht, denn seine Umgebung strahlt. Aber ein einzelnes Radioteleskop kann das schwarze Loch von M87 in 55 Millionen Lichtjahren Entfernung nicht auflösen. Dafür bräuchte es ein Teleskop, das einen Stein von der Größe eines Tennisballs auf dem Mond scharf stellen kann. Kein Teleskop auf der Erde wäre dazu in der Lage. Der Durchmesser des Teleskops müsste so groß sein wie der Durchmesser der Erde.

Die Strategie der Forscher war, acht Hochleistungsteleskope weltweit zusammenzuschalten und damit in der Summe einen größeren Beobachtungsdurchmesser zu erhalten. Die Teleskope mussten alle zur selben Zeit auf die gleiche Stelle ausgerichtet sein und die Radiostrahlung aus der Umgebung des schwarzen Lochs von M87 aufzeichnen. Diese Aufzeichnungen wurden an ein Institut in den USA und das Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn geschickt. Das MPI Bonn betreibt auch ein Teleskop in Effelsberg in der Eiffel, das allerdings nicht an der Aufzeichnung selbst beteiligt war. Anton Zensus, einer der drei beteiligten Direktoren, erzählt von dieser wissenschaftlichen Pionierleistung:

"Ich wollte es gar nicht glauben"

Seit Kurzem halten Forscher einen neuen Gedanken für begründet: Könnte es sein, dass schwarze Löcher so etwas wie Geburtshelfer von Galaxien sind? Dass wir unsere Existenz letztlich dem schwarzen Loch im Zentrum unserer Milchstraße verdanken? Astronomen entdeckten bei ihrer Beobachtung fremder Galaxien, dass alle, so verschieden sie auch sind, eine Gemeinsamkeit haben: Jede Galaxie hat ein schwarzes Loch in ihrem Zentrum. Seine Kraft, so die These der Forscher, ziehe die Materie im Umfeld an und sortiere sie. Es wäre die Initialzündung, die über lange Zeiträume eine Galaxie entstehen ließe.

Andererseits, wäre es nicht genauso denkbar, dass sich zunächst die Materie zur Galaxie formt und erst viel später, wenn sich gewaltige Gaswolken und Sternenleichen verdichten, das schwarze Loch im Zentrum? Im Streit der Theorien brachte das Weltraumteleskop Hubble etwas Licht ins Dunkel. Astronomen beobachteten mit Hubble die sehr junge Galaxie ESO 495-21. Sie bietet einen Blick in die Anfangszeit ihrer Entstehung. Die Aufnahmen enthüllten, dass sich auch in ihrem Zentrum ein schwarzes Loch verbirgt. Damit wird die Annahme wahrscheinlicher: Schwarze Löcher könnten Beginn und Bedingung für die Entstehung einer Galaxie sein.

Bildquelle: WGBH

Faszination Universum: Im Sog des Schwarzen Lochs
Erstausstrahlung ZDF: 27. September 2020, 19.30 Uhr

Autoren Tobias Schultes, Nora Bergenthal
Sprecher Tobias Kluckert

Redaktion TV Christiane Götz-Sobel
Redaktion Online Katja Treu

Weitere aktuelle Folge
Faszination Universum: Die Reise zum Rand der Welt