Wir blicken auf ein schlimmes Jahrzehnt voller Brandkatastrophen zurück. Und die Aussichten sind nicht minder düster: Bei einer globalen Temperaturerhöhung um zwei Grad wird sich die Zahl der Tage, an denen es heiß und trocken genug für Wildfeuer ist, allein im Mittelmeerraum mehr als verdoppeln. Die zunehmende Brandgefahr geht zum Großteil auf das Konto von uns Menschen. Haben wir verlernt, das Feuer zu beherrschen?
Können Pflanzen Brände beschleunigen?
In Sibirien verbrannte 2021 eine Fläche so groß wie Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zusammen. Australien, vor allem der Südosten, wurde im sogenannten Black Summer 2019/20 verwüstet, und Kalifornien meldete für einzig für die Saison 2021 mehr als 8.000 Brände – ein neuer Rekord nach dem Rekord im Vorjahr. Auch Europa wurde schwer getroffen. Eine der schlimmsten Feuersbrünste der letzten Jahre wütete in Portugal. 2017 entzündete sich bis in den Herbst ein Großbrand nach dem anderen. Allein an einem einzigen Tag im Oktober brachen 443 Feuer aus.
Eine Kombination aus Hitze, Trockenheit und Wind hatte die Brände begünstigt. Doch die Brandkatastrophen in Portugal waren vor allem deshalb so dramatisch, weil ein importierter Exot die Brennbarkeit der dortigen Wälder erhöht: der Blaue Eukalyptus. Seine ätherischen Öle wirken wie Zunder. Doch was wie ein Nachteil für diese Pflanze klingt, ist tatsächlich das Gegenteil: In seiner Heimat Australien dominiert der Eukalyptus seit 20 Millionen Jahren die Wälder. Als Brandbeschleuniger befördert er Wildfeuer, das birgt Risiken für die Menschen und Tiere dort. Aber die Natur Australiens ist an die regelmäßigen Brände angepasst, und der Eukalyptus selbst profitiert von den Flammen. Er braucht sie, um sich erfolgreich fortzupflanzen.
Ein erprobtes Team: Feuer, Gras und Weidetiere
Manchmal sind es auch Tiere, die die Feuerregimes auf der Erde bestimmen. Bis vor etwa 12.000 Jahren streiften tonnenschwere Mastodonten, Säbelzahntiger und fast drei Meter lange Riesenfaultiere durch die Weiten Nordamerikas. Was diese Megafauna mit dem immer häufigeren Auftreten von Flächenbränden nach dem Ende der letzten Kaltzeit zu tun hat, ist eine spannende Forschungsgeschichte. Fakt ist: Als es wärmer wurde, starben fast 70 Prozent der grasfressenden Arten in Nordamerika aus. Unsere Vorfahren setzten die Tiere zusätzlich unter Druck, machten Jagd auf sie. Von der einstigen Megafauna hat in Amerika nur eine Art überdauert: die Bisons. Können uns die Tiere heute wieder helfen, die Feuergefahr zu reduzieren?
In Afrika gibt es noch Megafauna, die in riesigen Herden umherstreift. In den unberührten Savannen haben sich Pflanzen, Brände und Weidetiere aufeinander eingespielt. 70 Prozent aller Großfeuer der Welt brennen hier – aber die Brände sind essenziell für das Ökosystem der Savannen. Nicht alle Tiere fliehen, wenn es brennt. Manche haben sich sogar darauf spezialisiert, die Flammen zur Beutejagd zu nutzen. Selbst die Grasfresser ziehen aus den verbrannten Flächen einen besonderen Nutzen – obwohl dort zunächst kein Futter mehr wächst.
Wie der Mensch zum Menschen wurde
Vor mehr als einer Million Jahren überwanden unsere Vorfahren ihre Urangst vor den Flammen und machten sie sich zu Diensten. Durch die Beherrschung des Feuers konnten sie sich neue Nahrungsquellen erschließen – ein entscheidender Fortschritt: Gegartes, ob Fleisch oder Pflanzen, ist leichter verdaulich, hat mehr Nährwert und weniger Keime. Es ermöglichte so die Weiterentwicklung des menschlichen Gehirns und des Muskelapparats.
Die Herrschaft über das Feuer war wohl die wichtigste technologische Revolution der Menschheit. Wir wurden zur erfolgreichsten Spezies des Planeten und konnten Klimazonen erobern, die eigentlich zu kalt für uns waren. Seither sind wir abhängig von der Energie, die im Feuer steckt. Und es ging weiter: Wir fanden heraus, dass man den Heizwert von Holz noch steigern konnte, indem man Holzkohle daraus herstellte. Damit konnten wir Metalle aus Erz schmelzen und Waffen und Werkzeuge herstellen. Schließlich entdeckten wir die scheinbar unendliche Feuerkraft von Kohle, Öl und Gas: die Überreste von Pflanzen, über Jahrmillionen komprimierte Biomasse. Das CO2, das sie einst gebunden haben, setzen wir in rasender Geschwindigkeit wieder frei und heizen so dem Planeten ein.
Haben wir die Kontrolle verloren?
Mit der steigenden Nutzung fossiler Brennstoffe gefährden wir jedoch ein uraltes Gleichgewicht. Satellitendaten offenbaren, dass es mancherorts heute mehr und intensiver brennt als in den letzten Jahrzehnten. Wildfeuer setzen global fast ein Viertel so viel CO2 jährlich frei, wie durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe entsteht. Das meiste davon wird wieder gebunden, wenn die Vegetation nachwächst. Doch wenn dafür in Zukunft nicht mehr genügend Zeit bleibt, dann werden Wildfeuer die Klimakrise verschärfen. Haben wir die Herrschaft über das Feuer inzwischen verloren?
Paradoxerweise zeigt die Geschichte, dass radikaler Brandschutz das Problem sogar verschärfen kann. In Spanien legt Dirk Steffens absichtlich Feuer – und zeigt, wie wir Feuer selbst zum Schutz vor der zerstörerischen Kraft des Elements nutzen können. Das komplexe Zusammenspiel von Feuer und Natur zu verstehen ist unsere wichtigste Waffe im Kampf gegen die Flammen. Nicht Feuervermeidung um jeden Preis, sondern Feuermanagement muss das Ziel sein. Wir müssen lernen, mit den Flammen zu leben.