Inselwelten sind besonders. Ob sie im Meer liegen oder mitten in einer völlig andersartigen Umgebung: Meistens beherbergen sie einzigartige, hoch spezialisierte Tiere und Pflanzen. Von der Wüstenoase bis zur Vulkaninsel zeigt Dirk Steffens, wie die Isolation das Leben prägt, wie Inseln Leben erhalten – und wie fragil diese Inselwelten sind.
Einzigartiges Leben auf Vulkaninseln und Tafelbergen
Die Kanaren sind das Ergebnis des unruhigen Erdinnern. Vulkane wuchsen vom Meeresgrund bis über die Wasseroberfläche. La Palma ist vulkanisch besonders aktiv, weil die Insel nahe am Hotspot liegt, den man in der Tiefe vermutet. Hier ereignete sich an der Vulkankette Cumbre Vieja unlängst der größte Ausbruch seit historischen Zeiten. Von September bis Dezember 2021 spie der Vulkan insgesamt etwa 100 Millionen Kubikmeter Lava, Brocken und Asche. Satellitenaufnahmen zeigen, wie dadurch viele Hektar Neuland entstanden sind. Lavaflüsse eines früheren Ausbruchs schufen bereits eine Insel auf der Insel: Nur auf einem kleinen Flecken überlebten einzigartige Pflanzen, ringsherum wurde alles unter der glühend heißen Masse begraben. Die aktuellen Ausbrüche werden das Gesicht der Insel weiter verändern – und vermutlich auch weitere isolierte Regionen schaffen. Sie dienen als Refugien und können auch zu neuem und überraschendem Leben führen.
Die Tepuis am nördlichen Rand des Amazonasbeckens zählen zu den abgelegensten Gegenden der Welt: Die Gipfelplateaus dieser „Himmelsinseln“ sind isoliert voneinander und von ihrer Umgebung. Tepuis sind Tafelberge. Die trennende Barriere wird bei ihnen nicht vom Wasser gebildet, sondern von rund 1000 Meter hohen, senkrecht aus dem Regenwald aufragenden Felswänden. Die Isolation schafft einzigartige Bedingungen für die Evolution. Tatsächlich entdeckten Forschende auf den Plateaus viele Arten, die es nur hier gibt. Die Tepuis sind auch einer der nassesten Orte auf unserem Planeten: Sie zwingen feuchtwarme Luftmassen aufzusteigen und sich abzuregnen – eine gigantische Regenmaschine. Die Wassermassen waschen verfügbare Nährstoffe von den Plateaus, lassen vielerorts nackten Fels zurück. In dieser "Regenwüste" können nur speziell angepasste Bewohner überleben, wie zum Beispiel die Kieselkröte.
Isolation sorgt für Spezialisten – und birgt Gefahren
Madagaskar ist die Heimat einer besonderen Gruppe von Primaten: rund 100 verschiedene Arten von Lemuren, die es nirgendwo sonst auf der Welt gibt. Ihr Ursprung wirft bis heute Fragen auf. Den Urahn aller Lemuren vermuten Forscher in Afrika. Aber wie kam er auf die Insel? Genuntersuchungen zeigen: Fast alle Lemuren Madagaskars lassen sich auf eine Familie vor etwa 50 Millionen Jahren zurückführen. Die Inselbedingungen haben dann zur Entwicklung der zahlreichen Arten geführt. Ein kleiner, nachtaktiver Lemur fällt dabei besonders auf: das Aye-Aye, für manche das hässlichste Tier der Welt, für andere der seltsamste Primat überhaupt. Seine Zähne ähneln denen eines Nagetiers, seine Ohren denen einer Fledermaus, und sein stark verlängerter Mittelfinger ist ein einzigartiges Werkzeug für eine erstaunliche Überlebensstrategie.
Die Isolierung von Lebensräumen in einem Meer aus Feldern, Siedlungen und Straßen birgt Gefahren. Einer europäischen Katzenart wurde dies um ein Haar zum Verhängnis: dem Pardelluchs oder Iberischem Luchs. Einst war er auf der Iberischen Halbinsel weit verbreitet, dann starb er in immer mehr Regionen aus: aufgrund von Jagd, Verlust an Lebensraum und Dezimierung der Beute. Im Jahr 2002 erklärte man den Pardelluchs zur seltensten Katze der Welt. Es lebten nur noch weniger als 100 Exemplare in zwei voneinander isolierten Gebieten in Freiheit: zu wenige in zu kleinen Inseln, um das Überleben der Art auf Dauer zu sichern. Dirk Steffens zeigt, mit welchen Mitteln internationale Forscherteams darum kämpfen, die Art zu erhalten.