Europas Wilder Westen – Spanien und Portugal haben diesen Ruf zu Recht. Am äußersten westlichen Rand des europäischen Kontinents liegt eine Region faszinierender Gegensätze: waldbedeckte Gebirgszüge im Norden, schroffe und karge Trockengebiete im Süden. Auch Tiere wie Geier und Bär erinnern an den amerikanischen Wilden Westen.
Die Reise der Pferde
In Andalusien erlebt Dirk Steffens auf dem Rücken eines Pferdes ein Spektakel, das aus einem Italo-Western stammen könnte. Die Yegüerizos – spanische Cowboys – treiben einmal im Jahr im Nationalpark Coto de Doñana über tausend wildlebende Stuten und Fohlen durch das Westernstädtchen El Rocio. Was verbirgt sich hinter dem traditionsreichen Fest Saca de las Yeguas?
Die Pferde Spaniens haben eine bewegte Geschichte hinter sich, mit einer überraschenden Verbindung zum amerikanischen Wilden Westen. Vor mehr als 500 Jahren gingen einige Pferderassen aus Spanien – vorwiegend Berber und Araber – auf eine ganz besondere Reise über den Atlantik: Sie waren an Bord der Schiffe spanischer Entdecker auf dem Weg in die Neue Welt. Mit Kolumbus kamen zum ersten Mal domestizierte Pferde auf den amerikanischen Kontinent. Einige der tierischen Neuankömmlinge verwilderten in den Weiten der amerikanischen Prärien. Die entflohenen Hauspferde entwickelten sich zu dem amerikanischen Symbol für Freiheit und Pioniergeist: den heutigen Mustangs.
Ein Zuhause für Geier und Bären
In der wilden Bergwelt Kantabriens, der Verlängerung der Pyrenäen, findet sich der Rückzugsort für zahlreiche bedrohte Tierarten wie Schmutz- und Bartgeier und die letzten Braunbären der Iberischen Halbinsel. Dirk Steffens macht sich mit zwei besonderen Experten auf Bärensuche: mit Vincenzo Penteriani, Braunbärenforscher, und Bhalou, seinem Hund, der mit seinem speziell trainierten Geruchssinn Bären aufspürt. Über das Auffinden sogenannter Reibebäume möchten Forschende mehr über die Kommunikation zwischen den Bären herausfinden. Je mehr wir über das Verhalten der Wildtiere wissen, desto besser können wir sie in dicht besiedelten Regionen schützen.
Auch einen Goldrausch hat Europas Wilder Westen zu bieten. Allerdings fand er schon vor Jahrtausenden zur Zeit der Römer statt: Dirk Steffens erforscht die größte Goldmine des römischen Reiches, Las Médulas. „Was dort geschieht, übersteigt das Werk von Giganten“, so beschreibt Plinius der Ältere die Abbaumethode vor rund 2.000 Jahren. Mit ihrer speziellen Technik zerstörten die alten Römer ganze Berge – und schufen damit im Nordwesten der Iberischen Halbinsel, in der Provinz León, ein heute einmaliges Landschaftsbild.
Gibraltar – ein geologischer Sonderfall
Tektonische Kräfte brachten das Gold aus dem Inneren der Erde nach oben. Sie formen seit Millionen von Jahren das Erscheinungsbild der gesamten Iberischen Halbinsel. An der Südküste Spaniens ist durch diese gewaltigen Kräfte die Meerenge von Gibraltar entstanden. Sie ist eine der am stärksten befahrenen Wasserstraßen weltweit. Dennoch hat sich hier, wegen der speziellen Topografie der Meerenge, eine enorme Artenvielfalt mit mehr als 300 Fischarten entwickelt.
Heute trennen Europa und Afrika an der engsten Stelle nur 14 Kilometer. Diese Nähe macht sich auch in der Tierwelt bemerkbar. Auf Gibraltar gibt es Berberaffen, die einzige frei lebende Affenart Europas. Mehr als 230 der Tiere gibt es oben auf dem Felsen. Sie haben die Touristen als Nahrungsquelle entdeckt und ihr natürliches Verhalten komplett umgestellt. Um die Anwohner vor Angriffen zu schützen und die Größe der Population zu kontrollieren, beobachtet ein Team von Rangern die Tiere. Dazu erhalten sie regelmäßige Gesundheitschecks. Dirk Steffens hat die „Affen-Schutzpolizei“ bei ihrer ungewöhnlichen Arbeit begleitet.