Unsere Erde ist ein wilder Ort – angetrieben von inneren und äußeren Kräften, dynamisch und ständig in Bewegung. Die Gewalten aus der Tiefe brechen sich in Form von Naturkatastrophen immer wieder Bahn. Landschaften haben sich über Jahrmillionen geformt, Stoff- und Energiekreisläufe entwickelt. Ihr heutiges Gesicht und ihre Bewohner sind das Produkt ihrer wilden Natur. Dirk Steffens geht der Frage nach, mit welchen Strategien das Leben gelernt hat, auf die Herausforderungen unseres Planeten zu reagieren.
Stabile Verhältnisse schaffen
Wie schafft es ein Wüstengewächs wie die Nara, nicht nur an einem der trockensten Orte der Welt zu überleben, sondern auch noch saftige Melonen zu produzieren? Verblüffend: Die Pflanze hat für das Leben mit Hitze und Trockenheit gleich mehrere Lösungen entwickelt. Eines der Überlebensprinzipien: Die Nara verändert ihre Umgebung – zu ihrem eigenen Nutzen und zu dem der Wüstentiere, denn sie macht ihnen das rare Wasser in der Wüste verfügbar.
Der Blick ins Tierreich zeigt, dass eine besondere Strategie immer erfolgreich war: sich selbst stabile Verhältnisse und Lebensräume zu schaffen und die wilden, sich stetig wandelnden Bedingungen des Organismus Erde zu überwinden. Waldelefanten, die „Architekten des Dschungels“, haben die Fähigkeit entwickelt, ihren undurchdringlichen Lebensraum ständig zu bearbeiten. In Gruppen durchpflügen sie regelrecht ihren Lebensraum und machen das Dickicht nicht nur für sich selbst bewohnbar. Auch dem Wald selbst sichern die Dickhäuter das Überleben.
Clevere Lebensgemeinschaften
Termiten sind grandiose Baumeister. Aus Erde, Speichel und Kot errichten sie mannshohe Wohntürme, die für die Tiere im Verhältnis so groß sind wie die Zugspitze für einen Menschen. Doch der sichtbare Teil eines Termitenbaus ist nur die Spitze des Eisbergs. Unterirdisch findet sich ein Labyrinth aus Gängen und Schächten. Hier liegen die Kammern, in denen sie ihren Nachwuchs aufziehen, leben, arbeiten. Dank einer cleveren Technik schaffen es diese Tiere, selbst unter extremer Hitze und Trockenheit die Bedingungen im Inneren konstant zu halten und den Bau gleichzeitig mit Frischluft zu versorgen. Der Termitenbau gleicht einer riesigen Selbstversorgerstadt. Es ist eine ausgeklügelte Lebensgemeinschaft, die sich von den widrigen Bedingungen ihrer Umgebung weitgehend unabhängig gemacht hat.
Neben der biologischen Anpassung wurde die Fähigkeit, Erfahrungen von Generation zu Generation weiterzugeben, zu einer Erfolgsstrategie. Dirk Steffens beobachtet das Verhalten der Schimpansen, unserer nahen Verwandten, das vom Gebrauch von Werkzeugen bis zum Sozialverhalten ein Spiegel unserer eigenen Vergangenheit ist.
Zähmung der Erde durch Zivilisation
Die Strategie, sich weitgehend von den natürlichen Kreisläufen unseres Planeten zu entkoppeln, hat der moderne Mensch zur Perfektion getrieben. Er hat es als einziges Tier geschafft, alle Lebensräume zu erobern, sich alle Welten der Erde eigen zu machen, auch die kältesten und heißesten Regionen der Erde zu besiedeln. Er verändert und gestaltet sie. Städte und Zivilisation sind Resultate der Anstrengungen, den wilden Planeten zu bändigen.
Doch das hat Konsequenzen für den Organismus Erde. Fast alles, was unser Leben so angenehm macht, verbraucht Energie – und dieser Energiehunger kann uns zum jetzt zum Verhängnis werden. Es droht ein Zustand von zunehmender Instabilität. Die Berichte aus der Klimaforschung sind unmissverständlich: Die Ergebnisse einer großen Arktis-Expedition, der Polarstern-Mission, sind alarmierend. Was können wir der neuen Dimension des Wandels entgegenstellen? Ganz hoffnungslos scheint es nicht. Als einzige Art auf der Welt sind wir in der Lage, unsere Zukunft selbst zu bestimmen. Wie wird der Mensch seine besonderen Fähigkeiten nutzen?