Die Expeditionshalle des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel ist Colin Deveys Ausgangspunkt für eine geologische Wanderung durch Norddeutschland. Das Hinterland der Küste mag beschaulich wirken, doch das ist nur die Oberfläche. Devey blickt darunter, denn dort offenbart sich allzu oft eine turbulente Vergangenheit. Einen Steinwurf entfernt, an der Ostseeküste, steigt der Meeresspiegel. Und das ohne Einfluss des Klimawandels. Die Küstenbewohner sind bis heute den Nachwehen der letzten Eiszeit ausgesetzt, obwohl sie vor ungefähr 12 000 Jahren endete.
Seen. Wälder und mächtige Salzlager
Im Norddeutschen Tiefland hat sich die Fracht der Gletscher verteilt. Sand und riesige Findlinge sind steinerne Zeugen, die durch die Kraft der Eismassen von Skandinavien bis in den Norden Deutschlands transportiert wurden. Das Schmelzwasser der abtauenden Gletscher schuf rinnenartige Vertiefungen. Daraus entstand im heutigen Mecklenburg-Vorpommern die Feldberger Seenlandschaft, wo auch der älteste Buchenwald Deutschlands liegt. Er zeugt davon, wie in unserem Land einst die Urwälder ausgesehen haben, und er dient der Wissenschaft als wichtige Referenz in Zeiten des Klimawandels. Ein Blick in das unterirdische Norddeutschland zeigt auch einen verborgenen Schatz: Über 900 Meter dicke, mächtige Salzlager schlummern unter der Erde, es sind Ablagerungen aus der Zeit des Zechsteinmeeres vor über 250 Millionen Jahren.
Auch unsere Mittelgebirge erzählen Geschichten aus längst vergangenen Zeiten. Sie sind die Überreste eines weltumspannenden Gebirges: der Varisziden, bis zu 400 Millionen Jahre alt. Im Harz am Brocken sind die Gesteine Relikte einer feurigen Vergangenheit: Der höchste Gipfel Norddeutschlands ist nämlich eine erstarrte Magmakammer, die einst einen Vulkan speiste. Im Erzgebirge sucht Colin Devey das Element Uran. Es bildet die Grundlage des Atomzeitalters und machte es zudem im 20. Jahrhundert erstmals möglich, das Alter unseres Planeten sicher zu bestimmen.
Ohne Eingriff des Menschen unbewohnbar
Im dicht besiedelten Ruhrgebiet liegt gut versteckt ein Schachtelhalmwald. Er erinnert an ausgedehnte Sumpfwälder, die es hier zur Zeit des Karbons vor circa 300 Millionen Jahren gab. Aus ihnen bildeten sich in langen biochemischen Prozessen die enormen Steinkohlevorkommen der Region. In einem überfluteten Bergwerk taucht Colin Devey tief ein in die Geschichte dieser Region: ohne den Eingriff des Menschen wäre das Ruhrgebiet unbewohnbar und auch heute noch eine Sumpflandschaft.
Die Eifel ist die wohl bekannteste Vulkan-Region Deutschlands. Ihre typischen Maarseen zeugen von einer explosiven Vergangenheit, die erst vor knapp 10 000 Jahren vorläufig zur Ruhe kam. Colin Devey erklärt, dass die Geschichte der Eifel eng mit dem Aufstieg von Gasen verknüpft ist. Als "Atem der Vulkane" wird hier das CO2 bezeichnet, das sich auf dem Weg vom Erdinneren Richtung Oberfläche mit Wasser zu Kohlensäure verbindet, wodurch zahlreiche Mineralwasser-Quellen entstanden sind. Sie erfreuen nicht nur die Menschen, sondern auch die Roten Waldameisen, die entlang natürlicher Gasaustritte ihre Nester bauen. So dienen sie auch Wissenschaftlern als Indiz für zunehmende geologische Aktivität in der Region.
Geologische Grenze zwischen Norden und Süden
Schließlich erreicht Colin Devey den südlichen Rand der Mittelgebirge. Dort, im Herzen Deutschlands, liegt die Metropole Frankfurt am Main. Von deren höchstem Punkt, dem Europaturm, hat er einen perfekten Blick auf die geologische Grenze zwischen Nord- und Süddeutschland.