Prof. Volker Bromm lehrt Astrophysik an der University of Texas, Austin, USA. In seiner Forschung hat Volker Bromm theoretisch vorhergesagt, dass die ersten Sterne, die sich im frühen Universum aus der Urmaterie gebildet haben, viel schwerer waren als die heutigen Sterne. Solche massiven Sterne sind extrem leuchtkräftig, und das James Webb Space Telescope, der Nachfolger des "Hubble"-Teleskops, wird ab dem kommenden Jahr nach diesen Ursternen suchen.
Warum ist es aus wissenschaftlicher Sicht so interessant, sich mit dem Thema "Größe" zu beschäftigen?
Im Universum haben wir es mit einem faszinierenden Wechselspiel von verschiedenen Kräften zu tun, der Schwerkraft, dem Elektromagnetismus und den Kernkräften. Wie nun verschiedene Objekte auf diese Kräfte reagieren, hängt entscheidend von deren Größe ab, also deren Masse und Ausdehnung. Der Einfluss von Größe in der Wissenschaft geht aber noch viel tiefer. Auf einem ganz fundamentalen Level versucht die Wissenschaft, Prozesse zu finden, wo man frei ist, die Größenordnungen auf und ab zu skalieren, ohne dass sich etwas ändert. Zu solchen "skalenfreien" Phänomenen gehören zum Beispiel die Fraktale, die aus der Geometrie bekannt sind. Dazu gehören aber auch die turbulenten Luftbewegungen, die wir alle von unseren Flugreisen her kennen, und sogar die großräumige Verteilung von Galaxien (Milchstraßen) im Weltall. Dann gibt es aber auch viele wichtige Phänomene, wo diese Freiheit nicht besteht, wo es also fundamental auf die Größe ankommt. In der Astronomie zum Beispiel gehören dazu die Entstehung von Sternen und Planeten, wo es jeweils typische Größen gibt. Im Rahmen der Naturgesetze gibt es in solchen Fällen nur eine eng begrenzte, "typische" Größe, weil sonst die beteiligten Kräfte nicht ins Gleichgewicht kommen können. Wir haben es hier also mit dem Dualismus von Freiheit und Notwendigkeit zu tun.
Inwieweit hat das Gedankenspiel, theoretisch die Größe von Elementen unserer realen Welt zu verändern, die Naturwissenschaft beeinflusst bzw. vorangetrieben?
Gedankenexperimente haben immer schon eine wichtige Rolle in der Naturwissenschaft gespielt. Da gibt es zunächst den ganz praktischen Aspekt, dass man schnell ein ungefähres Gefühl für das Verhalten der Natur gewinnen möchte, wenn man Forschungsprojekte plant. Bevor man sich auf lange Rechnungen mit Supercomputern einlässt oder auf aufwendige Experimental- und Beobachtungsreihen, ist es wichtig herauszufinden, ob man auf dem richtigen Weg ist. Dann aber geht es um viel tiefergehende Fragestellungen, letztlich darum, was die "Natur im Innersten zusammenhält". Das war der Ansatz von Albert Einstein, mit dem er die Grundprinzipien seiner Relativitätstheorie per Gedankenspiel gefunden hat. Das vielleicht berühmteste Gedankenexperiment in der Wissenschaftsgeschichte gehört in diesen
Zusammenhang: Einsteins "Fahrstuhl-Experiment", wo er argumentiert hat, dass der Einfluss der Schwerkraft einer beschleunigten Bewegung, von uns allen im Fahrstuhl direkt erfahrbar, äquivalent ist. Das wurde dann schließlich zum "Äquivalenz-Prinzip" in der Allgemeinen Relativitätstheorie. Gedankenspiele können einem auch Einsichten vermitteln in Situationen, wo man experimentell oder sogar per Supercomputer, an die Grenzen der Machbarkeit gelangt. Zum Beispiel ist das der Fall, wenn man sich vorstellt, was bei einer Reise ins Innere eines Schwarzen Loches passiert.
Inwieweit spielt das Thema "Größe" in der Astronomie eine Rolle?
"Größe" ist für die Astronomie ganz fundamental. Man könnte durchaus sagen, dass die Astronomie die "Wissenschaft von Größenordnungen" ist. In der Astronomie geht es genauer um den Zusammenhang von Mikro- und Makrokosmos. Die mikrophysikalischen Gesetze der Quantenmechanik haben großräumige Auswirkungen auf makroskopische Körper. So bestimmen zum Beispiel die Bewegungen von eng aneinander gedrängten Elektronen, die ja winzig klein sind, die typische Größe eines Weißen-Zwerg-Sternes, in den sich Sterne wie unsere Sonne am Ende ihres Lebens entwickeln. Der berühmte Astrophysiker Subrahmanyan Chandrasekhar hat für diese Einsicht einen Nobelpreis verliehen bekommen.
Eine andere Größe von fundamentaler Bedeutung für die Astrophysik ist die Idee eines "Horizontes". Der Horizont hier beschreibt die Größe eines Gebietes im Weltraum, innerhalb dessen sich Signale (zum Beispiel Licht) ausbreiten können und so Informationen austauschen. Mit allem, was sich jenseits des Horizontes befindet, kann man keinen "kausalen Kontakt" aufbauen, also nicht physikalisch beeinflussen. Dieser kosmische Horizont war extrem klein kurz nach dem Urknall, einfach weil das Licht noch keine Zeit hatte, weite Strecken zurückzulegen. Im Lauf der Jahrmilliarden hat er sich dann aber immer weiter ausgebreitet. Alle moderne Kosmologie geht letztlich auf diese Unterscheidung zwischen Prozessen innerhalb und außerhalb des Horizontes zurück. Dessen Größe definiert gewissermaßen die Grenze der Kausalität.
Verändern sich die Größen von Planeten und Sternen?
Sterne verändern ihre Größe während ihres langen Lebens, ein bisschen so wie wir Menschen. Sie werden als Zwergsterne geboren, dehnen sich dann zu Riesensternen aus und sterben als kompakte Objekte, die sehr klein sind, als Weiße Zwerge oder Neutronensterne. Diese Änderung im Durchmesser kann Faktoren von bis zu einer Million umfassen. Die Sternmassen hingegen sind viel konstanter, so dass Sterne mit mehr oder weniger der gleichen Masse durchs Leben gehen, sieht man mal von den Massenverlusten durch Sternwinde ab. Planeten sind ganz anders konstruiert. Bei erdähnlichen Planeten haben wir es mit einem sehr stabilen Gleichgewicht von Schwerkraft und elektrischen Kräften zu tun, das im Prinzip ewig bestehen kann. Die Größen von Planeten, wenn sie erst einmal entstanden sind, ändern sich daher kaum.
Inwieweit hat das Einfluss auf unser Leben auf der Erde?
Das Leben auf der Erde hängt sehr direkt am Tropf unseres Sternes, der Sonne. Wenn sich die Größe der Sonne aufgrund der Sternentwicklung ändert, was auch den Zustrom von Sonnenenergie beeinflusst, ändern sich die Bedingungen auf der Erde. Schließlich, in vier bis fünf Milliarden Jahren, wenn sich die Sonne in einen Roten Riesen aufbläht, wird die Erde von ihr verschluckt. Und lange davor schon kommt es zum Verdampfen der Erdatmosphäre. Alles im Universum hat also seine Zeit, und nichts währt für immer.
Wenn Sie eine Größe bzw. Dimension unserer realen Welt verändern könnten, welche würden Sie wählen?
Ich würde eigentlich lieber gar nichts ändern. Wenn man anfängt mit den Größen und Dimensionen der Welt herumzuspielen, wie ja in den Filmen sehr klar gezeigt, kommt man ganz schnell in Schwierigkeiten für das Aufrechterhalten von menschlichem Leben, so wie wir es kennen. Davon einmal abgesehen gäbe es aber zwei Experimente, die ich aus intellektuellem Interesse sehr gerne durchführen würde. Was wäre, wenn es mehr als nur die bekannten drei räumlichen Dimensionen gäbe? Wie wäre es also, durch den "Hyperrraum" zu fliegen? Dann würde ich auch gerne, wieder als Gedankenspiel, ein Universum bauen, in dem die Schwerkraft noch schwächer wäre als in dem unsrigen. Je schwächer die Schwerkraft, desto länger dauert alles. Wie sähe also diese Art von Ewigkeit aus?
Die Fragen stellte Sonja Trimbuch
Bildquelle: ZDF/David Langan