Während in der EU Trinkhalme aus Plastik verboten werden und viele Städte über ein Verbot von Plastiktüten nachdenken, feiert die Industrie Absatzrekorde: Allein 2018 betrug der Umsatz der Deutschen Kunststoffindustrie mehr als 64 Milliarden Euro . In einer Befragung des Gesamtverbandes der kunststoffverarbeitenden Industrie unter ihren Mitgliedsbetrieben gaben 37 Prozent der Betriebe an, dass ihr Geschäft von der aktuellen Mikroplastik-Debatte überhaupt nicht beeinflusst sei.
Reifenabrieb, Verpackungsmüll und Sportplatzgranulat
Dass die Müllberge, die durch den immer noch steigenden Verbrauch von Kunststoffen entstehen, kaum noch ohne Umweltschäden zu bewältigen sind, wird immer deutlicher. Das Fraunhofer-Institut UMSICHT in Oberhausen hat die Haupteintragsquellen in den Boden errechnet. Auf den ersten Plätzen stehen: Abrieb von Autoreifen, Verluste bei der Abfallentsorgung und Einträge im Biomüll, aber auch Granulate von Kunstrasenplätzen, die in die Landschaft verwehen.
An der Universität Bayreuth untersucht eine Forschungsgruppe Bodenproben aus der Landwirtschaft. In ihren Studien haben sie jede Menge Mikroplastik im Kompost und auf Ackerflächen nachgewiesen. Bis zu 900 Kunststoffpartikel fanden die Bayreuther Forscher in einem Kilogramm Kompost. Pro Hektar Ackerfläche errechneten sie Belastungen von 150.000 Mikroplastikteilchen. Haupteintragsquelle ist vermutlich Dünger, der aus dem Biomüll der Haushalte und der Supermärkte hergestellt wird.
Kompost fast immer mit Plastik belastet
Fehlwürfe in den Biotonnen, aber auch die mangelhafte Entsorgung von Lebensmittelabfällen aus Supermärkten und der Industrie sind Ursachen für das Mikroplastik im Kompost und auf den Feldern. Lebensmittelabfälle aus den Supermärkten werden in der Regel inklusive Verpackungen als Biomüll angeliefert und geschreddert, so dass jede Menge Plastik mit in den Kompost und in die flüssigen Gärreste gelangt.
Eigentlich gelten Kompost und Gärreste aus Biogasanlagen als umweltfreundliche Alternative zu Kunstdüngern. Deshalb reagierten die Komposthersteller auf die Verunreinigungen und haben in einer Selbstverpflichtung erklärt, die gesetzlich erlaubten Höchstmengen an Störstoffen freiwillig deutlich zu unterschreiten.
Und sie machen Druck auf die einliefernden Städte und Gemeinden, die ihren Biomüll verbessern sollen. Deshalb schicken viele Gemeinden, wie die Stadt Soest, inzwischen „Mülldetektive“ durch die Siedlungen, die in Biomülltonnen herumschnüffeln, um Plastiksünder zu ertappen. Die Konsequenz: Tonnen mit Fehlwürfen wie Plastikbeutel oder Verpackungen bleiben einfach stehen und müssen gegen Aufpreis als Restmüll entsorgt werden.
Mikroplastik in unserem Körper
Eine solch systematische Vermüllung unserer Landschaft bleibt auch für den Menschen nicht ohne Folgen. An der Universität in Wien haben Forscher in einer ersten Pilotstudie Kotproben von acht Menschen aus aller Welt untersucht. Bei allen Probanden waren Mikroplastikpartikel im Kot zu finden: 20 Plastikteile in 10 Gramm Kot - das heißt pro Stuhlgang fanden sich etwa 200 Mikroplastikteile, vor allem von Verpackungskunststoffen. Initiator war der Gastroenterologie Dr. Philipp Schwabl. Ihm waren zuvor unerklärliche Entzündungen im Darm von Patienten aufgefallen. Seine bisher noch nicht bewiesene Vermutung: Sie könnten durch kleinste Verletzungen durch Mikroplastik entstehen oder durch Giftstoffe, die durch das Mikroplastik in den Körper transportiert werden.
Auch der Breitensport trägt zur Verseuchung der Böden bei: Gerade Kunstrasenplätze geraten immer mehr in die Kritik. Winzige Plastikkörner werden von dort massenhaft in die Umgebung getragen. "planet e." dokumentiert, wie viel Mikroplastik inzwischen in unsere Böden eingedrungen ist und welche Auswirkungen das dauerhaft haben kann.
Interview mit Prof. Christian Laforsch, Universität Bayreuth
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Interview mit Dr. Bettina Liebmann, Umweltbundesamt Wien
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