Die Natur hat Zeit, sich vom Massentourismus zu erholen. Positive Effekte sind an fast allen Reisezielen erkennbar. Eigentlich Zeit für neue Konzepte. Doch es droht ein Rückfall: Massentourismus schlimmer denn je.
Initiative gegen überbordenden Tourismus
Amsterdam, Island, Venedig – diese beliebten Reiseziele wären fast an den steigenden Besucherzahlen erstickt. Anwohner fühlten sich zunehmend aus ihrer Stadt verdrängt, auch die Umwelt litt schwer unter den Folgen des sogenannten Overtourism. Billigflieger und Bilder in den sozialen Medien machten Destinationen populär wie nie.
Doch seit März 2020 steht alles plötzlich still. Historische Bilder gehen um die Welt: glasklares Wasser in Venedigs Kanälen und Tiere, die sich wieder in die Lagune trauen, die sonst den riesigen Kreuzfahrtschiffen vorbehalten ist. Auch die Bewohner entdecken, wie schön ihre Stadt ohne den Tourismus sein kann. In Amsterdam sammelt eine Bürgerinitiative über 30.000 Unterschriften. Ihre Forderung: Es darf auf keinen Fall wieder so werden wie vorher.
Die Politik reagiert vielerorts bereits mit vollmundigen Ankündigungen: Nachhaltigkeit sei das neue Ziel. Besucher sind willkommen, doch sie sollen der Stadt und ihren Bewohnern einen Mehrwert bringen. Und sie sollen sich besser verteilen, statt sich nur auf das Zentrum zu konzentrieren. Stephen Hodes ist Tourismus-Manager und hat jahrelang für die niederländische Tourismusindustrie gearbeitet. Jetzt ist er als Teil des Thinktanks "Amsterdam in Progress" genau dieser ein Dorn im Auge. Und warnt: "Dieselben Ankündigungen macht die Stadt schon seit 30 Jahren. Ich befürchte, dass sich auch diesmal nichts an der Situation ändern wird. Ich denke vielmehr, dass wir nach der Krise einen noch schlimmeren Massentourismus erleben werden als vorher. Weil jeder zunächst will, dass der Tourismus überhaupt wieder anläuft." Er erklärt, warum die angekündigten Maßnahmen nicht funktionieren können und warum sie in seinen Augen nichts als Ausreden für noch mehr Wachstum sind.
Tatsächlich wird Amsterdams Flughafen Schiphol gerade um ein neues Terminal und einen Flugsteig erweitert, sodass bis zu 14 Millionen Reisende zusätzlich zu den bisherigen rund 72 Millionen empfangen werden können. Auch in Island und Venedig wird die Infrastruktur ausgebaut. Gleichzeitig kündigen Billigflieger noch günstigere Preise an, und Kreuzfahrtunternehmen bereiten sich bereits auf die nächste Saison vor. Sind die Parolen vom nachhaltigen Tourismus also nur PR-Gerede?
Während die meisten Urlaubsorte aktuell noch um jeden Gast kämpfen, werden in anderen Gegenden die Touristen gerade jetzt zum Problem. Denn aus Angst vor Ansteckung verbringen viele Deutsche ihren Urlaub in diesem Jahr im Inland. Im Nationalpark Berchtesgaden beispielsweise hat das einen regelrechten Boom ausgelöst. Wird der Park es schaffen, seine sensiblen Ökosysteme zu schützen?
Die "planet e."-Autoren Andreas Ewels und Nera Smiljanic recherchieren vor Ort an Europas Tourismus-Hotspots und fragen nach bei Politikern, Aktivisten, Naturschützern und einer von Deutschlands beliebtesten Travel-Influencerinnen.
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