Ghaith Henki vermisst seine Heimat. Der 27-Jährige ist aus Aleppo nach Deutschland gekommen. Allein. "Ich habe da drei Jahre Architektur studiert, aber noch nicht mein Studium abgeschlossen", sagt Ghaith. "Die Situation in Aleppo war schwierig." Deshalb wollte er unbedingt nach Europa. "Ist auch eine Reise. Man muss nicht flüchten sagen - ich mag das Wort nicht sehr gerne", so Ghaith.
Heimweh nach Syrien
In Berlin ist er nun seit vier Jahren. Wenn ihn die Sehnsucht nach der Heimat überkommt, dann kocht er. In vielen Telefonaten hat seine Mutter ihm syrische Rezepte verraten. Und er hat Freunde gefunden, mit denen er ab und zu etwas in Berlin unternimmt. Von ihnen lernt er etwas über Deutschland - und sie lernen von ihm etwas über Syrien. Inzwischen gibt er auch ehrenamtlich Kochkurse und engagiert sich bei "Über den Tellerrand", einer Organisation, die sich Begegnungen von Menschen verschiedener Kulturen auf die Fahne geschrieben hat.
Auch der 70-jährige Franz Keller engagiert sich - der ehemalige Sternekoch hat einen eigenen Bauernhof gegründet, damit es besseres Fleisch gibt, wie er sagt: "Bauer bin ich geworden, weil das, was man heute unter Bauer versteht, ich nicht mehr verstehe. Das ist leider hauptsächlich Agrar-Industrie und hat mit der Natur nichts mehr zu tun." Für die Natur und die Tiere setzt er sich leidenschaftlich ein. Beim Kochen setzt er auf Qualität, moderne Molekular-Küche ist nicht seine Sache, Keller ist bekannt für bodenständige Gerichte.
Lehrmeister Paul Bocuse
Der Spitzenkoch ist ebenfalls geflüchtet - aber auf eine andere Art als Ghaith Henki. An seine Anfänge erinnert er sich noch genau: "Ich bin in einer Küche aufgewachsen, in einer Gasthaus-Küche. Es gab kein Wohnzimmer, ich habe dort meine Schulaufgaben gemacht, ich habe erzählt, was im Kindergarten los war." Koch ist er geworden, weil er es musste. "Mein Vater hat gesagt: 'Du wirst Koch', und ich habe es nicht bereut bis heute, ich würde es wieder tun. Auch freiwillig dann schon." Dennoch: Nach seiner Koch-Lehre streitet er sich mit dem dominanten Vater über die Ausrichtung des Familienunternehmens. Er flieht unter anderem viereinhalb Jahre nach Frankreich, geht bei Kochlegenden wie Jean Ducloux, Paul Lacombe und Paul Bocuse in die Lehre.
Zurück in Deutschland gehört er jahrelang zu den erfolgreichsten Spitzenköchen des Landes. Aber schließlich bricht er auch hier aus: "Ich bin aus dem Sterne-Zirkus raus, weil ich gemerkt habe, dass es irgendwo sinnlos ist und dass es weit entfernt ist von der Basis, um die es eigentlich geht, um gutes Essen."
Alt trifft Jung: Das erste Treffen
Das gute Essen ist auch für Ghaith wichtig. Bei einem Treffen mit Franz Keller in dessen Heimat im Rheingau in Hessen entdecken die zwei schnell viele Gemeinsamkeiten und fachsimpeln über deutsche und arabische Rezepte, über unterschiedliche Zutaten, aber auch über das Gefühl von Heimat in manchen Gerichten.
Sie wollen zusammen ein Menü kochen und es auf dem Marktplatz von Kellers Heimatstadt anbieten. Und entdecken: Der alte Profi und der junge Hobby-Koch sind sich nicht sehr fremd. Beide haben das Kochen von der Mutter gelernt, beide lieben ihre Heimat und versuchen das auch in den Gerichten auszudrücken, beide haben verschiedene Arten von Flucht erlebt, sind in die Welt hinausgezogen - die Heimat im Kopf und im Herzen immer dabei. Keller berichtet von unzähligen Neuanfängen in Frankreich und Italien, Ghaith erzählt von dem Aleppo seiner Kindheit, von den Düften, den Kräutern, die es dort gibt und die er hier in Deutschland vermisst.
"Essen braucht keine Sprache", darin sind sich beide einig. Keller mag es, für andere zu kochen und "mit netten Gästen zusammen zu sein". Und auch Ghaith hat durch seine Kochkurse die Erfahrung gemacht, dass er "richtig gut mit Leuten umgehen kann". Das Gemeinschafts-Menü der beiden kam bei den Gästen gut an, deutsche und arabische Küche haben Ghaith und Keller angeboten. Treffen wollen sich die zwei jetzt öfter - zum gemeinsamen Kochen.