Hans-Christian Ströbele ist ein Demo-Urgestein. "Ich könnte so ein Schild hochhalten, wahrscheinlich meine zehntausendste Demo", meint der langjährige Grünen-Bundestagsabgeordnete. Über ein halbes Jahrhundert war Ströbele als Politiker aktiv. "Ich habe mir ja auch in der ganzen Bundestagszeit lange Zeit zur Aufgabe gemacht: Ich gehe hier in Berlin zu jeder Demo."
Heute geht das nur noch schwer: Ströbele ist auf Rollator und Begleitperson angewiesen. "Die letzte Demo war mir wahrscheinlich etwas zu schnell, dass die Leute dort zu schnell gingen", erzählt Ströbele. Sonst wäre er wohl auch heute noch bei jeder "Fridays for Future"-Demo dabei: Die jungen Leute hätten ihm die Augen geöffnet, sagt Ströbele, "für diese Katastrophe, die da auf uns zukommt durch das Klima".
Clara Mayer wurde durch VW-Rede bekannt
"Kommen Sie doch mal mit mir auf eine Demo", fordert Clara Mayer ihn auf, als die beiden gemeinsam in Ströbeles Anwaltsbüro sitzen. Sie hat ihr Abitur gemacht, wohnt bei ihren Eltern und arbeitet neben ihrem Engagement für den Klimaschutz noch Vollzeit im Krankenhaus. Innerhalb weniger Monate ist sie eine der wichtigsten Stimmen der Jugendbewegung "Fridays for Future" geworden. Bekannt wurde sie durch ihre Rede vor den VW-Aktionären im vergangenen Jahr, in der sie den Vorstand des Autokonzerns stark kritisierte.
"Was ich immer betone, ist, dass wir gar nichts Neues fordern", sagt die 18-Jährige, "sondern dass wir immer nur fordern, dass die Politiker sich endlich mal an ihre eigenen Versprechen halten." "Fridays for Future" möchte, dass die Ziele des Pariser Klimaabkommens und das 1,5°-Ziel eingehalten werden. Dafür wollen sie für Deutschland unter anderem einen Kohleausstieg bis 2030, eine Nettonull bei CO2-Ausstoß bis 2035, sowie 100% erneuerbare Energieversorgung bis 2035.
Ströbele sieht Ähnlichkeiten zu den Demonstrationen der 68er
Hans-Christian Ströbele beobachtet die neue Generation Aktivisten mit Interesse und Respekt. Er sieht Ähnlichkeiten zu seinen ersten Demos in den 68ern. Damals schlossen sich Öko-Aktivisten immer stärker zusammen und gingen auf die Straße. Sie protestierten unter anderem gegen den Bau von Atomkraftwerken, für die Förderung von Alternativen zur Energiequelle Erdöl, und gegen den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft.
"Wir waren ja wirklich eine kleine Minderheit", erinnert sich Ströbele. "Wir sind durch die Straße gegangen und haben gesagt, wir kleine Minderheit. Aber trotzdem wollen wir das Richtige." In der Mobilisierung sieht er einen großen Unterschied zu früher: Beim letzten globalen Klimastreik gingen allein in Deutschland 600.000 Menschen auf die Straße. Die größten Umweltdemos der 1970er hatten etwa 100.000 Teilnehmer. "Wenn ich heute sehe, wie zu Demonstrationen mobilisiert wird, kann ich nur sagen: Davon konnten wir nur träumen." Damals lief die Mobilisierung vor allem über Telefon und Flugblätter. Heute eröffnet Social Media neue Möglichkeiten.
Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede zwischen den Klimaschützer-Generationen
In Ströbeles Büro tauschen sich die beiden aus über politisches Engagement, Revolutionen von unten und den Klimaschutz. Obwohl sie für ähnliche Ziele kämpfen, merken sie schnell, dass sie sich nicht in allem einig sind. "Das ist so eine ganz andere Generation der Klimaschützer", findet Clara Mayer. Ströbele gibt der Bewegung einen Rat: "Das wichtigste ist, dass ihr nicht erwarten könnt, dass da morgen was passiert. Ihr sollt euch dafür einsetzen, das ist ja völlig richtig, sondern ihr müsst einen langen Atem haben und immer wieder und immer wieder dabei bleiben, wenn ihr das als richtig erkannt habt. Und dann wird sich auch was verändern."
Clara Mayer stellt fest: "Das sind die Leute, die vielleicht körperlich es gar nicht mehr hinbekommen sich jetzt einzusetzen und wir sind so ein bisschen die, die so ihnen die Fackel abnehmen können und damit weitergehen." Wird es ihr gelingen, dass Ströbele noch einmal mit ihr auf eine Demo geht?