Franziskus hat die katholische Kirche auf die politische Weltbühne zurückgeführt, sucht den Schulterschluss mit den moderaten Kräften des Islam. Innerkirchlich bringt er Reformer wie Konservative gegen sich auf. Was will er? Wohin führt er seine Kirche?
Blick auf vergessene Konflikte gelenkt
Die Wahl von Jorge Mario Bergoglio zum Papst war im März 2013 eine Überraschung. Durch seine Worte und Gesten hat er die Hoffnung geschürt, dass er die Kirche verändern werde. Statt in den Apostolischen Palast zog er ins Vatikanische Gästehaus, statt über Moral wollte er mehr über soziale Gerechtigkeit sprechen, und statt einer Kirche des Pomp wollte er eine "arme Kirche an der Seite der Armen". Nach zehn Jahren sind wenige Reformen umgesetzt. Konservative bremsen ihn aus, Intrigen machen ihm das Leben schwer. Mit Blick auf Deutschland geht Franziskus auf Konfrontationskurs zur Mehrheit der Katholikinnen und Katholiken, die Veränderungen wollen.
In den zehn Jahren seines Pontifikats hat Franziskus viel Unruhe in die katholische Kirche gebracht. Konservative fürchten, er könnte die Kirche dem Zeitgeist anpassen, Reformer vermissen klare Akzente der Veränderung. Nach außen schärfte Franziskus das sozialpolitische Profil der katholischen Kirche. Er versucht sich zunehmend als Brückenbauer zwischen dem Westen und den moderaten Kräften im Islam. Mit seinen Reisen lenkt er den Blick der Weltöffentlichkeit auf vergessene Konflikte – etwa in Myanmar, der Zentralafrikanischen Republik oder im Südsudan.
Unterstützung und Kritik
In Deutschland wird Franziskus zunehmend kritisch gesehen. Zumal er den Reformweg, den die Mehrheit der Bischöfe und Gläubigen in der katholischen Kirche im Land eingeschlagen hat, den "Synodalen Weg", immer wieder kritisiert. Bei der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals zeige er nicht die notwendige Konsequenz, und längst überfällige Reformen in der kirchlichen Lehre und Strukturen packe er nicht an, sagen die Kritiker. Liegt es daran, dass Konservative ihn ausbremsen, Intrigen ihm das Leben schwer machen? Weggefährten und Beobachter von Papst Franziskus ordnen seinen Kurs ein und erklären sein Handeln.
Dazu gehört der deutsche Kardinal Walter Kasper, der bei der Wahl Jorge Mario Bergoglios zum Papst mit zu den Unterstützern des Argentiniers gehörte. Kardinal Gerhard Ludwig Müller arbeitete mehrere Jahre als Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation eng mit Franziskus zusammen. Bis heute gehört er zu den wenigen Kardinälen, die Franziskus offen kritisieren.
Engagement für einen Dialog auf Augenhöhe
Annette Schavan lernte Franziskus in ihrer Zeit als deutsche Botschafterin beim Heiligen Stuhl näher kennen. Als Vertraute von Bundeskanzlerin Angela Merkel sorgte sie für eine enge politische Zusammenarbeit zwischen Berlin und dem Vatikan. Der evangelische bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm ist Papst Franziskus mehrfach begegnet. Er teilt mit dem Pontifex das Engagement für einen Dialog auf Augenhöhe zwischen den christlichen Kirchen, aber auch den Religionen weltweit.
Gudrun Sailer arbeitet im vatikanischen Medienapparat und erlebt aus nächster Nähe, wie Papst Franziskus die Kirche und vor allem die römische Zentralverwaltung verändert. Bei dieser Reform wird der Pontifex unterstützt vom Münchner Kardinal Reinhard Marx. Er gehört zum Kreis der neun Kardinäle, die den Papst bei wichtigen Entscheidungen und Reformen beraten. Zudem ist er eine der wichtigsten Brücken zwischen Franziskus und der katholischen Kirche in Deutschland. Die italienische Journalistin Stefania Falasca kennt Jorge Mario Bergoglio bereits seit der Jahrtausendwende. Sie war eine der ersten, die er nach seiner Wahl am 13. März 2013 anrief. Sie steht in engem Austausch mit dem Kirchenoberhaupt.