Katholikentage wollen Zeitansage sein und in die Gesellschaft hineinwirken. Entsprechend waren die Tage von Stuttgart geprägt vom Krieg und der Krise der Kirche. Reporterin Nazan Gökdemir fängt Eindrücke, Einschätzungen und Standpunkte ein.
Die Familie wird kleiner
27.000 Teilnehmenden – nie kamen weniger Menschen zu einem Katholikentag in den vergangenen knapp 50 Jahren. Ein Grund war sicher die Pandemie, die viele davon abhielt zu dem Großereignis nach Stuttgart zu kommen. Doch die geringe Teilnehmendenzahl ist auch ein Ausdruck der Krise der katholischen Kirche. Selbst die engagierten Katholik*innen, zweifeln an der Zukunftsfähigkeit der Institution. Sie wollen nicht noch mehr reden, was zu den Hauptaktivitäten bei den Katholikentagen zählt, sondern sie wollen Taten sehen, bevor sie sich weiter engagieren. Am Ende geht von Stuttgart der klare Appell aus, die Reformen, die etwa im Synodalen Weg angepackt werden, umzusetzen – also eine stärkere Macht- und Gewaltenteilung, mehr Rechte für Laien, Weiheämter für Frauen und eine Reform der Sexualmoral, um auch für LGBTQ-Personen einen anerkannten Platz in der Kirche zu bieten.
Zwischen Krieg und Krise
In Stuttgart war das zweite große Thema neben der Kirchenkrise der Krieg in der Ukraine und seine Folgen für die Menschen in Deutschland und weltweit. Politiker aus Bund und Länder, darunter Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzler Olaf Scholz, beteiligten sich an den Diskussionen zur „Zeitenwende“, die die Welt gerade erfährt. Neben den konkreten Fragen zu Waffenlieferungen ging es auch um die globale Ernährungssicherheit und Fragen einer gerechten Globalisierung. Der Bundespräsident forderte Russlands Präsident Putin auf, die Kampfhandlungen umgehend einzustellen. Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Irme Stetter-Karp, versicherte den Menschen in der Ukraine die Solidarität der Christ*innen in Deutschland.
Suche nach Antworten auf neue Fragen
Bei zahlreichen Veranstaltungen zur aktuellen Krise zeigte sich, dass die Katholik*innen um neue Positionen zu Krieg und Frieden ringen. Dass ein Aggressor im Grunde ein Land platt mache, sei in der Friedensethik nicht vorgesehen, konstatierte der Mainzer Bischof und Pax Christi-Präsident Peter Kohlgraf. „Man rechnet eigentlich immer noch mit Verhandlungspartnern, die irgendwo mit einem einigermaßen rationalen Kalkül in so einen Krieg ziehen“, erklärte der Bischof. Wie steht es angesichts dieser Situation um Waffenlieferungen für die Ukraine? Militärbischof Franz-Josef Overbeck sagt „ja“. Das ist auch die offizielle Position der Deutschen Bischofskonferenz.
Sie wären eigentlich wichtig, aber...
Der Katholikentag in Stuttgart hat gezeigt, dass die Kirchen wichtige Player im gesellschaftlichen Diskurs sein könnten. Viele Politiker*innen sowie Vertreter*innen anderer zivilgesellschaftlicher Gruppen und Institutionen bauen auf sie als gesellschaftsprägende Kraft. Doch die Kirchen sind angeschlagen, mit Blick auf die katholische Kirche vor allem durch den Missbrauchsskandal und die fehlenden Reformen. Der Film zeigt, nur wenn sie diese beiden Punkte konsequent anpackt, kann sie wieder Vertrauen und Glaubwürdigkeit gewinnen – und damit auch gesellschaftliche Relevanz.