Die Baby-Boomer gehen in Rente. Dem ohnehin strapazierten deutschen Arbeitsmarkt werden bis zum Jahr 2035 sieben Millionen Arbeitskräfte fehlen. Eine Katastrophe, die die Wirtschaft teuer zu stehen kommt, wenn nicht kräftig gegengesteuert wird.
Bereits heute fehlen Millionen Menschen, die die Arbeit machen. Doch die Demografie allein kann den Arbeitskräftemangel nicht erklären - in Deutschland wird so viel gearbeitet wie nie zuvor. Kann es sein, dass manche Branchen daran scheitern, gute Löhne und Arbeitsbedingungen zu bieten - und nun die Verantwortung dafür abschieben wollen?
Auf ihrer Reise durch Deutschland trifft ZDF-Moderatorin Sarah Tacke viele Menschen mit riesigen Personal-Problemen. Etwa in der Justizvollzugsanstalt in Rohrbach. 181 Justizvollzugsbeamte bewachen 500 Männer und Frauen. Jede zehnte Stelle ist nicht besetzt. Es mangelt an Zeit, mit den Gefangenen zu arbeiten, damit diese “draußen” nicht wieder straffällig werden. Für die Resozialisierung fehlen die Kapazitäten.
Besonders groß ist der Personalmangel in der Gastronomie: Von den Betrieben, die dort 2021 Stellen ausgeschrieben hatten, konnten nur 35 % diese Stellen auch zeitnah besetzen. Bei zwei Dritteln der Betriebe blieben Stellen offen. Auch im Burghof Kyffhäuser - einem Gastronomie-Betrieb in Thüringen - heißt es seit geraumer Zeit: Mitarbeiter gesucht! Als Restaurant-Leiter Marc Frank vor 20 Jahren angefangen hat, hatte er noch acht Fachkräfte im Service. Heute sind es nur noch drei: “Es möchte keiner mehr den Job machen. An den Wochenenden möchte niemand arbeiten.” Inhaberin Catrin Auerbach wird dieses Jahr das erste Mal ihren Betrieb schließen - mitten in den Sommerferien: “Es ist absolut notwendig, weil dann alle auf so dünnem Eis laufen und die Haut so dünn ist. Und wir machen das jetzt einfach mal, damit alle wieder ein Stück runterkommen und wir den nächsten Schritt bis zum Jahresende schaffen.”
Für René Biebricher ist ganz klar, warum die Gastronomie solche Probleme hat, Leute zu finden. 20 Jahre lang hat er gekellnert, zuletzt war er Barchef in einem Hotel. Die schlechten Arbeitsbedingungen mit ständigen Überstunden und geringem Lohn seien der Grund. Zehntausende Gastro-Mitarbeiter mussten sich während der Corona-Krise auf dem Arbeitsmarkt umschauen und haben festgestellt, dass es woanders besser ist.“Über so lange Zeit hat die Gastro konsequent und erfolgreich daran gearbeitet, ein schlechtes Bild von sich selber zu erzeugen", meint Biebricher, ”Ich schließe für mich momentan aus, wieder als Restaurantfachmann zu arbeiten und unterstelle einfach, dass ich keinen Job finden würde, der mich glücklich macht.”
Bessere Arbeitsbedingungen, mehr Lohn, flexible Arbeitszeiten - das scheinen die Schlüssel zu sein, um Arbeitskräfte zu finden und zu halten. Und in Deutschland schlummern noch mehr Potentiale. Doch für viele bleibt der Weg in den Arbeitsmarkt versperrt. Zu viele Jugendliche schaffen es nach der Schule nicht, einen qualifizierten Job zu finden. Die Zahl der sogenannten NEETS, der Jugendlichen, die weder eine Ausbildung machen noch zur Schule gehen oder bereits arbeiten, steigt seit Jahren.
Doch es gibt auch Wege aus der Krise: Ein Unternehmer aus München arbeitet in seinem Elektro-Betrieb erfolgreich mit Langzeitarbeitslosen zusammen. Sein Ansatz: Die Arbeit in Handgriffe aufteilen. Nur für die wenigsten müsse man gelernter Elektriker sein. Und so könne man auch mit ungelernten Arbeitskräften die anstehende Arbeit bewältigen. “Es sind knapp 3 Millionen arbeitslos. Aus meiner Sicht ist es ein Potenzial von mindestens einer Million arbeitenden Personen”, meint Florian Kuhn. “Das ist eine riesengroße Menge an Personen, die uns helfen können in der Wertschöpfung.”
In “Mitarbeiter gesucht! Das deutsche Job-Desaster” reist Sarah Tacke durch ein Deutschland am Scheideweg: Jetzt gilt es, das Arbeitskräfte-Problem zu lösen. Dazu braucht es moderne, flexible Konzepte – sowie Zuwanderung und Automatisierung: “Das ist lange von vielen Menschen sehr kritisch gesehen worden, weil sie dachten, dadurch gehen Arbeitsplätze verloren und dann stehen alle auf der Straße”, sagt Monika Schnitzer, die Vorsitzenden der Wirtschaftsweisen. “Aber tatsächlich ist es gerade umgekehrt. Das ist die Chance, um die Menschen, die beschäftigt sind, produktiver einsetzen zu können und sie auch von vielen Arbeiten zu entlasten, die letztlich nicht besonders befriedigend sind.” Die Herausforderung ist gigantisch. Es gibt viel zu tun. Machen wir uns an die Arbeit.
Na klar, die Gesellschaft altert, die Babyboomer gehen in Rente. Aber ist das allein der Grund für das deutsche Job-Desaster? Zum Tag der Arbeit wirft ZDF-Moderatorin Sarah Tacke einen Blick auf unsere Arbeitswelt im Jahr 2023.