Mitri Sirin fährt direkt rein in die Debatte - natürlich mit dem Auto. Einst gefeiert als Mobilitätsmaschine und tragende Säule der deutschen Wirtschaft, wird es heute verantwortlich gemacht für verstopfte Innenstädte, kilometerlange Staus und Klima-Probleme.
Erleben wir deshalb in Deutschland gerade einen mobilen Sinneswandel? Mitnichten: Nie gab es so viele Autos in Deutschland wie heute, selbst kürzeste Strecken werden damit zurückgelegt, die Neuzulassungen steigen stetig. Kann es sein, dass wir vom Auto abhängig sind? Hat uns eine ganze Industrie süchtig danach gemacht, schnell und unkompliziert von A nach B zu kommen? Wo sind die Alternativen oder gibt es die gar nicht? Wie werden wir in Zukunft Auto fahren? Bei seiner Reise durch Deutschland wird Mitri Sirin schnell klar: Das Auto ist mehr als ein reines Fortbewegungsmittel. Es ist ein Wunderwerk der Technik, es ist ein "safe space", es ist das Statussymbol schlechthin. Mit dem Auto sind die ganz großen Gefühle verbunden: Freiheit. Liebe. Hass.
Mitri Sirin begegnet unter anderem Allie, einer 30-jährigen Autotunerin. Leidenschaftlich schraubt sie an ihren Fahrzeugen und präsentiert sie auf Tunertreffen.
Für den Bremer Yousuf Mirzad ist das Auto ein "safe space", sagt er. Mitri Sirin steigt auf dem Beifahrersitz seines Porsche Panamera ein – Yousufs ganzer Stolz und sein erweitertes Wohnzimmer. Laut Musik hören, telefonieren, Freunde treffen - all das passiert in Yousufs Auto – denn die Wohnung, in der er noch mit seinen Eltern lebt, bietet keine Privatsphäre.
Für Familie Hochstein im sächsischen Arzberg bedeutet das Auto vor allem Freiheit. Ohne Auto auf dem Land leben – unmöglich, sagen sie. Damit ihre Kinder zur Schule kommen, bilden die Eltern eine Fahrgemeinschaft mit einer Familie aus dem Nachbardorf. Auch die älteren Menschen in der kleinen sächsischen Gemeinde wären ohne den ehrenamtlich organisierten Bürgerbus aufgeschmissen.
In Berlin versucht man gerade Wege zu finden, auf das Auto zu verzichten. So zum Beispiel im Kreuzberger Stadtteil Gräfekiez. Hier werden Parkplätze in Grünflächen verwandelt. Wo einst eine Kreuzung war, sitzen junge Leute mit Picknickdecken auf der Straße und trinken ein Feierabendbier. Klingt idyllisch, doch Kiezbewohnern, die auf das Auto angewiesen sind, macht das ordentlich Puls.
Die deutsche Zuliefererbranche hat derweil andere Sorgen. Sie stehen enorm unter Druck. Während die deutschen Autobauer Volkswagen, Mercedes und BMW für Januar bis September 2023 Umsatzsteigerungen verkünden, klagen Zulieferer über Produktionsrückgänge und streichen massenhaft Stellen.
Die Dokumentation "Am Puls" beleuchtet das komplexe Verhältnis der Deutschen zum Auto. Zwischen Nostalgie, ökonomischer Bedeutung und ökologischer Notwendigkeit zeigt sich ein Land im Umbruch.
Stab
- Kamera - Mirko Schernickau