Für die Frauen ist die Arbeit in Deutschland finanziell attraktiv – aber sie zahlen einen hohen Preis. Der Film begleitet zwei Pflegerinnen aus Bulgarien und Albanien zu ihren Arbeitsstätten und zu ihren Familien, die sie in ihren Heimatländern zurücklassen.
Eigene Familie zurücklassen, um bei uns zu pflegen
Der Pflegenotstand in Deutschland ist ein Dauerthema. Derzeit werden hierzulande 2,12 Millionen Menschen zu Hause betreut und rund 868 500 in Pflegheimen. Tendenz steigend. In einem aktuellen Gutachten ermittelten Forscher der Universität Bremen, dass die Zahl der Pflegekräfte allein in Altenheimen um rund 120 000 erhöht werden müsste, um den aktuellen Personalmangel abzufedern. Die Situation wäre noch dramatischer, würden die meisten Hilfsbedürftigen nicht zu Hause betreut, unterstützt durch bezahlte Pflegekräfte aus dem Ausland, zumeist aus Osteuropa. Nach Schätzungen des Verbands für häusliche Betreuung und Pflege arbeiten rund 300 000 Osteuropäerinnen in Deutschland. Für die Pflegebedürftigen und deren Angehörigen sind sie häufig die "letzte Rettung".
"37°" betrachtet diese Situation aus der Perspektive von zwei Frauen, die ihre Heimat verlassen haben, um in Deutschland in der Altenpflege zu arbeiten. Der Film begleitet die Frauen in ihre Heimatländer und beleuchtet ihre persönlichen Lebensverhältnisse. Beide lassen Familie zurück, Kinder, Ehepartner, eigene Eltern. Bis auf wenige Urlaubswochen im Jahr beschränkt sich der Kontakt auf elektronische Medien. Eine zusätzliche Belastung zu dem physisch und psychisch aufreibenden Beruf, dem sie in der Fremde nachgehen.
Ein anstrengender und kräftezehrender Job
Stanimira kommt aus Sliven, einer Kleinstadt in Bulgarien. Sie ist 46 Jahre alt, verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Seit drei Jahren betreut sie in Renningen in der Nähe von Stuttgart den 96-jährigen Willi Eichhorn. In Bulgarien war sie über 20 Jahre Verkäuferin. Um ihre finanzielle Situation zu verbessern, suchte sie im Internet nach einer Agentur, die Betreuerinnen nach Deutschland vermittelt. Über die "Sofiapflege" kam sie nach Renningen.
Mit Mira, wie sie von den Familienangehörigen genannt wird, hatten sie großes Glück, erzählt der Sohn von Willi Eichhorn. Stanimira bleibt für viele Monate am Stück und fährt nur einmal im Jahr für vier Wochen nach Hause. So hat der hochbetagte Willi Eichhorn, dessen Demenz fortschreitet, eine kontinuierliche Betreuung und Stanimira wenig Verdienstausfall. Allerdings ist die Arbeit als Betreuerin, die permanente Verfügbarkeit anstrengend und kräftezehrend. Nach drei Jahren braucht Stanimira einen Tapetenwechsel. Sie möchte Willi Eichhorn verlassen, ausgerechnet in der Corona-Krise.
Familie könnte nach bestandener Prüfung nachkommen
Suela ist Albanerin und ausgebildete Krankenschwester. Als die 32-Jährige von der Möglichkeit, in Deutschland zu arbeiten, erfährt, arbeitet sie in einer Klinik und lebt mit ihrem Mann und der sechsjährigen Tochter in der kleinen Stadt Librazhd. Um eine bessere Zukunft zu haben, entscheidet sie sich für ein Ausbildungsprogramm der DEKRA, um später als Fachkraft in Deutschland arbeiten zu können. Das Programm läuft in Kooperation mit deutschen Kliniken und Senioreneinrichtungen und endet mit der Fachkundeprüfung für deutsche Pflegekräfte. Bis dahin arbeitet Suela als Hilfskraft in einer Senioreneinrichtung der Volkssolidarität im sächsischen Aue.
Ihren Mann und ihre sechsjährige Tochter sieht sie jeden Tag, allerdings nur am Handy. Sie mussten in Albanien bleiben. In ihrer Freizeit lernt Suela viel Deutsch. Um die Prüfung bestehen zu können, muss sie besser Deutsch sprechen. Als Fachkraft würde sie mehr verdienen und könnte dann Tochter und Mann nach Deutschland holen. Das ist ihr großer Traum.