37 Grad zeigt drei junge Männer auf dem riskanten Weg, aus ihrem Lieblingsspiel Ernst zu machen. Wenn sie nicht performen, also in der Profiliga nicht gewinnen, hagelt es böse Kommentare im Netz. Der Ruhm ist meist kurz, dann folgt schnell der Rauswurf aus dem Team.
Janik, Spielername JNX, beherrscht das Onlinecomputerspiel "League of Legends" so gut, dass er es in die Profiliga geschafft hat, in der man reich werden kann als junger Mensch mit speziellen Fähigkeiten. Er trainiert jeden Tag von morgens bis spätabends. Janiks tägliches Training sieht so aus: Zusammen mit seinem Team spielt er ein Spiel, bei dem sich Fantasyfiguren bekriegen. Um immer in Übung zu bleiben, gönnt er sich keine freien Wochenenden, kaum mal einen Urlaub.
Hochleistungssport
Die Konzentrationsleistung eines Profi-Gamers wie Janik ist vergleichbar mit der von Autorennfahrern oder Schachspielern. Die meisten von ihnen scheiden schon mit Mitte 20 wieder aus, weil sie die Leistung nicht mehr bringen, nicht mehr schnell genug sind und der jüngere Nachwuchs sie verdrängt. In Tausenden Jugendzimmern daddeln sich stetig Gamer ihren Weg nach oben. "Der Druck, dass auf einmal alles vorbei sein könnte, der ist durchaus da", sagt Janik. Was er seit neun Jahren dafür opfert, ist all das, was junge Menschen normalerweise in seinem Alter machen: sich ausprobieren, feiern gehen, Freunde treffen.
Vielversprechende Nachwuchsspieler aus ganz Deutschland hat die "esports player foundation" (EPF) zu einem "Talent Camp" eingeladen. Zwei Tage lang sollen die jungen Männer – Mädchen sind nicht darunter – beweisen, dass sie nicht nur gut spielen können, sondern teamfähig sind und mit Kritik umgehen können. Es winken Förderprogramme, die den Gamern helfen sollen, nicht nur Karriere zu machen, sondern dabei auch gesund zu bleiben. "Im E-Sport verlaufen die Karrieren viel rasanter als im traditionellen Sport", sagt Jörg Adami von der EPF. "Die Jungs werden vom Kinderzimmer auf die große Bühne geschmissen und sind viel Druck ausgesetzt. Das halten viele nicht aus." Burn-out und Depressionen sind häufig im E-Sport.
Aus Hobby wird Beruf
Paul (18) ist einer von denen, die sich beim "Talent Camp" beweisen wollen. Er hat entschieden, vor dem Abi von der Schule abzugehen und auf das Gaming zu setzen. "Es wäre mein Traum, wenn ich mein Hobby zum Beruf machen könnte", sagt Paul. Ein paar Wochen später packt er in seinem Jugendzimmer nahe Hamburg einen großen Koffer und zieht nach Berlin in ein sogenanntes Gaming House. Das neu gegründete Team einer Handelskette hat ihn für ein halbes Jahr unter Vertrag genommen. Paul wird zusammen mit vier anderen Gamern, einem Coach und einem Teamleiter eine große Wohnung in Charlottenburg beziehen: zusammen gamen, kochen, wohnen und Content produzieren.
Letzteres bedeutet: Die jungen Männer müssen auch auf Twitch oder Instagram gut funktionieren, denn "Reichweite" ist der Treibstoff, der die E-Sport-Maschinerie antreibt. Gamer erreichen ein Millionenpublikum in einer Zielgruppe, die Werbetreibende lieben. Pauls Mutter versteht davon nicht viel, hat aber den ungewöhnlichen Plänen ihres Sohnes zugestimmt. "Er bekommt jetzt ein Sabbatjahr, aber wenn das nicht klappt mit dem E-Sport, muss er eine Lehre machen", sagt sie.
E-Sport-Team der Uni
Auch Teos Mutter ist diese Welt fremd. Teo alias Techoteco (18) kommt aus einem kleinen Dorf bei Freiburg und ist ein talentierter Gamer, der aber nicht ausschließlich vor dem PC sitzt, sondern auch Klavier spielt und gern liest. Gerade macht er sein Abitur. "Ich möchte schon, dass er studiert und nicht nur zockt", sagt Teos Mutter. "Aber wenn ich in einem super Team aufgenommen werde, dann lasse ich das erstmal mit dem Studium", entgegnet Teo. Einige Monate später bekommt er ein Angebot, das er nicht ausschlagen kann. Das Stipendium einer Privathochschule in Hannover: Internationales Management studieren und zusätzlich im neuen E-Sport-Team der Uni spielen.