Der Begriff "Ghosting" beschreibt das Phänomen, dass Menschen, die man "datet", sich scheinbar in Luft auflösen. Der andere verschwindet wie ein Geist. Anrufe oder Nachrichten bleiben unbeantwortet.
Die Nutzung der größten und erfolgreichsten Dating-App, Tinder, ist mit dem sogenannten Swipen, also dem Wischen nach rechts ("gut") oder links ("schlecht"), denkbar einfach. Über eine Million Swipes werden weltweit pro Minute gemacht – in der Hoffnung, ein Date zu bekommen. Zuvor stellt man Fotos und einen kurzen Text von sich auf die Plattform. Man preist sich an, und dann wartet man, bis man nach rechts gewischt wird.
"Das ist wie eine Droge."
Auch Werbetexterin Katja (53) aus Frankfurt ist bewusst, dass, wenn sie sich auf einer Dating-App bewirbt, es dem Anpreisen wie in einem Katalog nahekommt. Ja, man preise sich an wie ein Produkt. Aber man wähle ja auch aus.
"Man kann in einer Viertelstunde 50 Kandidaten nach links wischen", so Lucie. "Das ist wie eine Droge. Du willst immer mehr!" Der Oberflächenreiz muss für das erste Screening reichen. Doch so schnell wie die Menschen auf der Bildschirmoberfläche auftauchen, so verheißungsvoll erste Treffen verlaufen, so schnell verschwinden sie auch wieder. Wortlos. Über 80 Prozent der Jüngeren haben bereits leidvolle Erfahrungen gemacht mit dem Ghosting. Die Suchmaschinen für die Liebe haben den wortlosen Abgang zum Tool des menschlichen Miteinanders gemacht.
Ghosting auf Dating-Plattformen
Angst vor der falschen Entscheidung
Solche Verletzungen werden im Dating-Zeitalter zunehmen, mahnen Psychologen, weil das Verlassen so einfach geworden sei. Hinzu kommt: Man wagt sich nicht mehr in Beziehungen, weil man vor lauter Angst, falsch zu entscheiden, gar nichts mehr wählt. Es könnte ja immer noch jemand Passenderes kommen. Langfristig betrachtet können also die Folgen für den Ghost wie auch für den Ge-Ghosteten - die Folgen für das soziale Miteinander - extrem schädlich sein. Denn Ghosting verhindert das Verstehen von Beziehungen mit ihren Schwierigkeiten, Neuanfängen und Entwicklungen. Gerade nahe Beziehungen sind wichtig und werden von fast jedem ersehnt.
Der "37°"-Film von Tina Soliman und Torsten Lapp zeigt anhand von Beispielen, wie Dating-Apps die Liebe flüchtig machen und das Gefühlsleben zutiefst ungewiss.