Die Kurse der deutschen Jagdschulen sind so voll wie noch nie. Dabei ist die Jagdausbildung langwierig und sehr schwierig. Ein Viertel der Schüler ist weiblich, in Großstädten ist es auch mal die Hälfte – das ist neu.
Jäger werden - aus Liebe zur Natur
"Ich hätt' nie gedacht, was alles dazugehört" – vorsichtig nimmt Jagdschülerin Silvia (47) ein Rehkitz auf. Mit Grasbüscheln in den Händen, damit es ihren Geruch nicht annimmt. Silvia rettet das Kitz vor den tödlichen Klingen des Mähdreschers und bringt es an den Waldrand, wo es die Mutter finden wird. Praxisunterricht in Silvias Jagdschule. Lange musste die Krankenschwester Silvia sparen, um sich ihren Wunsch zu erfüllen, Jägerin zu werden. Die Ausbildung zur Jagdprüfung ist anstrengend. Rund acht Monate lang hat sie zweimal die Woche abends Theorieunterricht und fast jedes Wochenende Praxis. Nahezu ein Jahr lang wird Silvia in Abendkursen und an den Wochenenden pauken, bis sie die Jagdprüfung machen darf. "Grünes Abitur" wird die staatliche Prüfung auch genannt. Rund 19 Prozent der Schülerinnen und Schüler wiederholen die Prüfung.
Jule ist die Jagdausbilderin von Silvia. Sie erklärt in ihrem praktischen Unterricht, dass die Rehe im Mai ihre frisch geborenen Kitze im hohen Gras verstecken und die Kleinen auch nicht weglaufen – der beste Schutz vor Feinden wie dem Fuchs. Doch eben nicht vor dem Mähdrescher. Jule (30) ist angehende Tierärztin und lehrt zusätzlich zu ihrem eigenen Studium in einem Münchner Jagdbildungszentrum abends die Fächer Wildbiologie sowie Jagdpraxis. Jule ist selbst begeisterte Jägerin. Dazu gehört nicht nur die Hege, sondern auch das Schießen von Wild. Zum eigenen Verzehr. Fleisch aus der Massentierhaltung wird sie nie mehr essen, seitdem sie im Studium ein Pflichtpraktikum im Schlachthaus gemacht hat. "Als Jägerin habe ich Ehrfurcht vor dem Lebewesen, das ich erlege", erklärt Jule.
Eine Balance finden
Auch Jäger Hermann (54) ist im vollen Einsatz für eine gesunde Balance zwischen Landwirtschaft, Waldbesitzern und dem Wild. Wenn er den Bauern überreden kann, einen Acker mit Pflanzen für das Wild stehen zu lassen, wird das Rehwild die jungen Waldbäume nicht anfressen. Die Anzahl der Rehe, Füchse, Wildschweine, die in einem Revier geschossen werden, bestimmt der Staat, nicht der Jäger. Und diese Vorgabe ist vielen Jägern sogar viel zu hoch, erfahren die Zuschauer von Hermann, einem Jäger mit eigenem Revier. Er versucht, mit Schutzmaßnahmen für Bäume und Äcker die verpflichtende Abschussquote möglichst gering zu halten. "Nicht alle Jäger sehen das so", sagt Hermann. "Einige glauben immer noch, dass möglichst viel Wild zum Schutz der Bäume geschossen werden muss."
"37°" begleitet Silvia, Jule und Hermann. Alle drei erklären: Sie sind Jäger oder wollen es werden, weil sie die Jagd als aktiven Naturschutz verstehen und den Lebensbereich des Wildes verbessern wollen. Sie hegen das Wild, aber halten durch die Jagd auch den Bestand in der Balance. Doch noch etwas ist den neuen Jägern von heute wichtig: Sie möchten dem rasenden Leben etwas Sinnstiftendes entgegensetzen: Flora und Fauna genießen, verstehen und schützen.