Unsere eigene Farm

Zwei Familien und ein großer Traum. Sie wollen ihr Leben verändern. Künftig gesünder, natürlicher, auch eigenständiger auf einer eigenen Farm wohnen und sich mit eigenen Lebensmitteln ernähren. Diesen besonderen Wendepunkt will ich gerne begleiten, denn ich frage mich: steckt nicht in jedem von uns dieser Wunsch, unser Leben gesünder, reduzierter, fern von dem täglichen Einkaufswahnsinn in den Supermärkten zu gestalten, frisches Obst und Gemüse selbst zu ernten, ohne Plastikverpackung, nicht genormt, dafür aber geschmacksreich und pestizidarm?

Sara und Michael stehen noch ganz am Anfang ihrer Selbstversorger-Idee, als wir die Dokumentation ihrer Erlebnisse beginnen. Noch ein wenig skeptisch, weil sie fürchten, dass vieles auf dem sechs Hektar großen Land schief gehen wird. Dass manche Anbau-Versuche im Garten vielleicht scheitern und ihr 250 Jahre altes Gut in der Eifel, mehr Probleme macht, als sie es erwarten und womöglich auch verkraften können. Eines ist von Anfang an klar: es ist wirklich ein großes Projekt, das die beiden zusammen mit ihren drei Kindern und Saras Eltern Schultern wollen. Es ist nicht nur das uralte Haus, ein unbeackerter Garten, der mit angelesenem Wissen aus dem Internet in ein natürliches Ökosystem verwandelt werden soll. Es ist auch eine junge Familie, die ein Globetrotter-Leben geführt hat und nun in einem Mehrgenerationen-Haus, 60 Kilometer entfernt von der nächsten Großstadt, sesshaft werden möchte. Sie werden viel Hilfe brauchen und eines machen Sara und Michael auch von Anfang klar: sie werden diese Hilfe gerne in Anspruch nehmen, weil sie tatsächlich „keine Ahnung“ haben, was auf sie zukommt, und genug Humor, um auch dem Scheitern noch was Gutes abzugewinnen.

Selbstversorgung, ist das Sinn oder Wahnsinn? Das ist die Frage, die uns während der 12 Monate beschäftigt, in der wir auch das Leben von Christiane und Martin begleiten. Ein Paar, deren Leben schon einige Geschichten geschrieben hat, die von Aufbruch, Scheitern, Ende, Angst und Neubeginn handeln. Ein kleines, unglaublich kuscheliges Häuschen ist ihr Zuhause. Doch der Schein trügt. Innen drin ist es wuselig, es riecht nach Tieren, Kräutern, Käse. Überall wird deutlich: hier wird viel gearbeitet. Drei Hunde springen zur Begrüßung auf uns zu und Christiane serviert einen Kräutertee, der vor allem gesund schmeckt. Selbstversorgung, das heißt für sie und ihren Mann ein tiefes Verständnis dafür zu haben, was uns die Natur schenkt. Gegen viele Gebrechen ist in der Natur ein Kraut gewachsen, davon ist Christiane überzeugt. Sie mixt Tinkturen, zerkleinert Samen, rührt ihre eigene Kosmetik mit all den Pflanzen, die sie in ihrem Kräuterbeet großzieht. Man kann sich ihrer Freude an den satten und gesunden Beeten nicht entziehen, die wohl geordnet hinter dem Haus liegen. Da wachsen Spargel, Salate, Erdbeeren, Bohnen, Tomaten, Kohlrabi – alles, was man sich für eine herrliche Gemüsepfanne mit Dessert am Abend wünscht.

Christianes Hände sind rau und erdig. Sie ist eine anpackende und zupackende Frau. Hauptberuflich außerdem Assistentin der Geschäftsführung in einer Rohrbaufirma. Acht Stunden Tage sind in so einem Leben nicht vorgesehen. Auch geregelte Arbeitszeiten sind Fehlanzeige. Wer einen großen Garten anlegt und bewirtschaften will, der gehorcht den Gesetzen der Natur - bei Regen und Trockenheit. In allen Jahreszeiten. Gegen alle Feinde, die aus dem Boden oder aus der Luft das Selbstgepflanzte angreifen und möglichst natürlich abgewehrt werden sollen. Nicht immer mit Erfolg. Einmal erleben wir, wie Martin einen Großteil des Weißkohls vernichten muss, weil er nach dem vielen Regen zerplatzt ist. Hagelschauer haben auch schon einmal eine ganze Ernte vernichtet, und weil es letztes Jahr sehr trocken war, ist der Kartoffel-Ertrag klein ausgefallen. Martin kann auch das gelassen nehmen. Wenn alles planbar wäre, sagt er, wäre es doch „scheißlangweilig“.

Was die Natur nicht hergibt, kann nicht verzehrt werden. Da sind beide konsequent. Christiane und Martin leben zurückgezogen, und auch radikal beim Thema Selbstversorgung. Weil sie gerne Fleisch essen, haben sie sich entschieden, Tiere zu halten und zu schlachten oder schlachten zu lassen. Es gibt diesen Moment während der Dreharbeiten, in dem zwei Kaninchen geschlachtet werden. Da sieht man nicht gerne zu. Aber wir alle waren beeindruckt, wie würdevoll und respektvoll das geschah. Das Paar erzählt uns allerdings auch, dass es dafür nicht von allen Seiten Verständnis gibt. Die vielen Tiere, der Geruch durch die Ziegen und Pferde, die gackernden Hühner und krähenden Hähne, das passt nicht jedem. Aber genau so wollen Christiane und Martin leben. Auch, weil Martin nach einer Augenerkrankung hier einen neuen Sinn, eine neue Wirkungsstätte, seine Berufung gefunden hat. Gesund genießen, das tun beide, weil sie sich durchweg an ihren eigenen Lebensmitteln erfreuen und nur noch 15 Euro in der Woche für Dinge wie Kaffee oder Toilettenpapier ausgeben.

Ein kleiner Käsestand ist seit einiger Zeit Martins neues Hobby, natürlich aus der Milch seiner Ziegen. Und eine kleine Fangemeinde hat er damit auch schon gewonnen. Dass beide oft rund um die Uhr arbeiten, weil auch die Tiere versorgt werden und neue Tiere geboren werden, wussten sie und haben sich darauf eingelassen. Weil es ihnen Freude macht. Das nehme ich ihnen ab. Und auf die Frage, welchen Traum sie sich in Zukunft verwirklichen möchten, kommt nicht eine Fernreise oder eine Auszeit. Die Antwort lautet: „Einen größeren Hof hätten wir gerne“. - Wir werden sie dort gerne besuchen, und gerne wieder einen gesunden Tee trinken.

Sara hatte am Anfang der Dreharbeiten die Befürchtung, dass ihre Anbau-Versuche im eigenen Garten linkisch wirken, weil die junge Mutter von drei kleinen Kindern quasi nebenbei zur Garten-Expertin heranreift, während wir sie mit der Kamera begleiten und jeden Erfolg und jeden Misserfolg festhalten. Saras Ehrgeiz und ihre Willensstärke ist beeindruckend, auch das was sie alles liest, im Internet sucht und findet, oder auch bei Gartenexperten erfragt. Sie will ihren 2000 Quadratmeter großen Bio-Garten zu einem natürlichen Lebensmittelmarkt für ihre Familie umwandeln, so konsequent wie möglich. Da wird die Leistungssportlerin in ihr spürbar, die schon mit 15 Jahren an großen Wettbewerben teilgenommen hat und es bis zur Teilnahme an der Olympiade geschafft hat. Ich höre ihr gerne zu und lerne viel. Zum Beispiel, dass es Pflanzenfreundschaften gibt. Möhren und Zwiebeln sollen zusammenstehen, weil sie sich gegenseitig bestimmte Parasiten vom Hals halten. Tomaten und Kartoffeln aber sind Feinde im Beet. Auch, dass der Boden nicht „nackt“ sein soll, leuchtet ein, sondern Mulch das Austrocknen und die Verbreitung unerwünschter Pflanzen verhindert. Sara hat viele Ideen und erlebt auch einigen Frust. Ihre Tomaten, mit viel Fürsorge großgezogen, fallen komplett der Braunfäule zum Opfer, nachdem es tagelang geregnet hat. Auch das ist eine neue Erfahrung: Fehlplanungen gibt es und auch immer wieder Missernten. Die Lernkurve reicht immer nur bis zur nächsten Saison, dann werden wahrscheinlich neue Probleme auftauchen.

Dass Michael, der Ex-Fußballprofi und Fußballmanager, sich einmal um einen nicht krähenden Hahn Sorgen machen würde, damit hat er vor wenigen Jahren wirklich nicht gerechnet. Michael bringt mich und das Kamerateam mit mancher Erkenntnis zum Lachen, weil er wie wir unbedarfter Städter ist, der sich jetzt für seine Familie auf das Abenteuer Selbstversorgung eingelassen hat. Mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Manches geht dem Familienvater einfach zu schnell. Lieber wäre er Stück für Stück, mit guter Planung, in die Anforderungen der Bewirtschaftung von sechs Hektar Land hineingewachsen. Doch Haus, Hof und Garten definieren und diktieren jeden Tag eigenständig die neue To-do-Liste.

Plötzlich krachen Bäume aus dem eigenen Wald aufs Auto, der Flusszulauf ist von fallenden Blättern verstopft, die Wasserrohre sind zugefroren. Und mit drei Kindern und einer Frau, die ganz und gar im Garten aufgeht, kommt die Paarbeziehung auch zu kurz. Und dennoch dürfen wir immer wieder Momente beobachten, wenn Michael, erschöpft von der harten körperlichen Arbeit, die es jeden Tag zu stemmen gilt, verliebt seine Frau mit ihrem Eimer anschaut, der randvoll mit den ersten geernteten Kartoffeln ist. Und auch wenn beide Mist und Mulch auf die Beete bringen, bleibt Zeit für ein Lächeln zueinander, einen flüchtigen Kuss. Für den weitgereisten Familienvater ist das die neue „Quality Time“, Zweisamkeit im Kartoffelacker. Neben dem Full-Time-Job, der den Lebensunterhalt sichert.

Gerade haben wir erfahren, dass bei der Hochwasser-Katastrophe Saras und Michaels gesamter Permakultur-Garten weggeschwemmt wurde – die beiden tun uns wahnsinnig leid!