Mit 16 Jahren wird Antonia, 24, durch einen Raserunfall im Namibia-Urlaub zur Waisen. Steffens Frau und Sohn werden auf einer Landstraße in der Pfalz totgefahren. Nur seine kleine Tochter überlebt. Antonia und Steffen kämpfen mit dem Verlust und um Gerechtigkeit.
Plötzlich ohne Familie
Den Weihnachtsurlaub 2014 verbringt die Berlinerin Antonia Joschko (24) mit ihrer Familie in Namibia. Damals ist sie 16 Jahre alt. Am 29. Dezember wollen die Joschkos eine befreundete Familie treffen. Auf der Fahrt in der namibischen Wüste rast ein Fahrzeug mit weit überhöhter Geschwindigkeit in ihr Auto. Bei dem Unfall sterben Antonias Mutter, ihr Vater und ihre ältere Schwester sowie drei weitere Personen im Auto des Unfallfahrers. Für Antonia beginnt ein schwerer Weg in ein neues Leben: "An dem Tag hat mein Leben, das ich bis dahin geführt habe, aufgehört."
Die 16-Jährige ist nun auf sich allein gestellt. Sie muss sich entscheiden: aufgeben oder weitermachen. Sich zu vergraben, ist für Antonia keine Option. Verwandte und Freunde fangen Antonia in der ersten Zeit auf. Sie versucht, ihren Alltag zu bewältigen, sich ihren Schmerz nicht anmerken zu lassen. Immer wieder erlebt sie Flashbacks des Unfalls.
Antonia will Gerechtigkeit
Antonia will ihr Leben nicht vom Tod bestimmen lassen. Sie entscheidet sich für eine Therapie. Und kämpft seit 2015 um Gerechtigkeit für ihre getöteten Angehörigen. Vor einem Gericht in Namibia muss sich der Unfallverursacher wegen sechsfachen Mordes verantworten. Regelmäßig fliegt sie zu den Verhandlungen in das afrikanische Land – erst als Zeugin, dann als Zuhörerin und als Klägerin.
Mit einem Monat wird Nora zur Halbweisen
Nora Kirchner ist einen Monat und sechs Tage alt, als sie im September 2020 ihre Mutter und ihren Bruder verliert. Bei einem Unfall auf einer Landstraße in der Pfalz ist sie die einzige Überlebende im Auto ihrer Mutter. Von einer Sekunde auf die andere wird Nora zur Halbwaisen und ihr Vater Steffen zum Witwer und Alleinerziehenden. Der Verlust von Frau und Sohn lässt Steffen Kirchner, 37, nicht los. Seit 2020 prägt der Unfall seinen Alltag: "An den Schmerz, an den Verlust, kann man sich nie gewöhnen. Man versucht nur, damit zu leben. Es ist schwer."
Als Überlebende steht "die Kleine", wie Nora von ihrem Vater genannt wird, nun an erster Stelle. Im Alltag hilft Steffens Mutter, ansonsten versucht der 37-Jährige, alles mit sich selbst auszumachen. Nach dem Unfall richtet sich das ganze Leben nach der kleinen Nora. Sie wird behütet wie ein Schatz. Überall im Alltag der Kirchners finden sich Andenken. Direkt am Eingang zur Wohnung erinnert ein kleiner Altar mit Fotos und Spielzeug des verstorbenen Sohns Finn an das einst gemeinsame Familienleben. Einmal pro Woche fährt Steffen Kirchner zur Unfallstelle. Zur Erinnerung an die Toten und als Mahnung hat er Kreuze errichtet.
Vor Gericht
Im Sommer 2022 steht der Unfallverursacher vor Gericht. Der 29-Jährige war mit seinem Wagen mit weit überhöhter Geschwindigkeit von der Fahrbahn abgekommen, als er in das Fahrzeug der Kirchners raste. Nach fünf Verhandlungstagen fällt das Urteil: dreieinhalb Jahre Haft. Steffen Kirchner ist froh, dass der junge Mann ins Gefängnis muss. Gerechtigkeit fühlt er dennoch keine. Denn das Urteil bringt ihm seine Familie nicht zurück.
Eine 37 Grad-Langzeitbeobachtung über Menschen, die lernen müssen, mit dem Verlust und dem Schmerz nach dem Unfalltod ihrer Angehörigen zu leben, und dabei ganz unterschiedliche Wege gehen.