Auf eigenen Füßen stehen. Früher konnten Jugendliche nicht früh genug ausziehen. Heute verstehen sich Eltern und Kinder besser, Mieten sind teuer, warum also zu Hause raus? Corona hat das "Nesthocken" noch verstärkt. 37 Grad begleitet drei junge Erwachsene im "Hotel Mama".
Aus der Großstadt zurück ins Elternhaus
Ve ist 29 Jahre alt und lebt bei mit ihren Eltern bei Erfurt. Nach der Mittleren Reife hat sie die Schule verlassen und nach der Ausbildung ihr erstes eigenes Geld verdient. Ans Ausziehen hat sie seitdem nur einmal gedacht. Da wollte sie als Kosmetikerin nach Berlin gehen: "Das ist gründlich in die Hose gegangen. Die Stadt ist mir zu groß und zu laut. Und ich habe das Kuh-Geblöke vermisst." Also kam sie wieder zurück nach Hause. Die Eltern betrieben bis vor wenigen Jahren die Dorf-Bäckerei. Seit Vater Jens gesundheitliche Probleme hat, ist der Laden geschlossen. Das Haus ist groß und an manchen Stellen marode.
Ve lebt auf einer eigenen Etage unter dem Dach. In ihrem Reich herrscht das "kreative Chaos". Ihre Mutter könnte an die Decke gehen, wenn sie sieht, wie die eigene Tochter haust: Wäsche waschen, Küche aufräumen, das Bad putzen, wegen allem gibt es Diskussionen. "Ich würde auch mal gern wieder in Ruhe als Paar leben, ohne diese ganzen Streitereien", seufzt die Mutter. Die Eltern betteln schon seit Langem um einen finanziellen Beitrag, den Ve leisten soll - zur Erhaltung es Hauses. Vater Jens platzt regelmäßig der Kragen, doch dann ist er wieder weich wie Butter. "Sie wickelt mich um den Finger". Können Ves Eltern die Tochter zum Bezahlen bewegen? Oder sucht sich die junge Frau doch eine eigene Bleibe?
Im alten Kinderzimmer
Stefan aus Höchstädt an der Donau ist 35 Jahre alt und wohnt wieder zu Hause. In seinem alten Kinderzimmer, direkt neben dem Schlafzimmer der Eltern. Doch aufräumen darf seine Mutter nicht bei ihm, das macht Stefan selbst. Da hat er seinen Stolz. Stefan hat auch schon mal allein gelebt, hat zwei Kinder und blickt zurück auf eine langjährige Drogengeschichte: "Mama ist die Beste. Sie hat mich zum Glück wieder aufgenommen, ich hätte sonst nicht gewusst wohin." Doch neben aller Fürsorge – das Zusammenleben führt zu gepfefferten Konflikten: "Sie mischt sich halt auch überall ein, fragt nach, geht mir auf den Keks. Das will man in diesem Alter ja eigentlich alles nicht mehr".
Aber noch kann Stefan nicht ohne seine Eltern. Er träumt von einer kleinen eigenen Wohnung, doch dafür muss er noch stabiler werden. Der Vater ist auf seinen Spross nicht gut zu sprechen. Er misstraut ihm bis heute, glaubt Stefan nicht, dass die Drogengeschichten hinter ihm liegen und wittert ständig einen Rückfall. Doch Stefan unternimmt erste Schritte in die Selbstständigkeit, bemüht sich trotz vieler gesundheitlicher Rückschläge beim Jobcenter um eine Qualifizierungsmaßnahme – ein erster Baustein für ein eigenständiges Leben?
"Nirgends schöner als daheim"
Felix aus Hirschaid lebt mit Schwestern, Eltern und Großmutter auf einem ehemaligen Bauernhof in Franken. Er findet: Nirgends ist es schöner als daheim. "Ich wäre ja blöd, wenn ich ausziehen würde. Da hätte ich ja gar keinen Platz. Und teuer wäre es auch noch und das bisschen Gezeter von der Mutter, das halte ich locker aus." Auch wenn das daheim sein Pflichten mit sich bringt. Zum Hof gehört ein großes Stück Forst. Am Wochenende gibt es regelmäßig Arbeitseinsätze mit der ganzen Familie. Diskussionen ums frühe Aufstehen am Wochenende sind vorprogrammiert. Felix Eltern hatten auch schon Pläne für die Zimmer der drei Kinder: "Die wollten wir gern zu Ferienwohnungen für Wanderer ausbauen. Doch daraus wird bislang nichts." Denn noch kann Felix dem Leben in den eigenen vier Wänden nichts abgewinnen.