Oft stehen Krankheiten oder körperliche Beschwerden im Weg, jetzt auch noch die Pandemie. Wie können Rentner ihr Traumprojekt mit ihren Partnern oder Kindern vereinbaren? Es braucht Mut und Kraft, Angst vor dem Scheitern sollte es nicht geben. Realistisch mit über 60?
Den Traumort gefunden
Jürgen ist 64 und seit fast zwei Jahren in Rente. Zweifel lässt er nicht zu, er ist ein Bauchmensch. Und wenn er ein Ziel hat, kann ihn fast nichts bremsen. Von einer Skoliose ist sein Rücken gebeugt, die Knie sind kaputt und schmerzen. Doch die Berge und das Abenteuer haben ihn seit jeher begeistert. Als er während eines Italienurlaubes das Bergdorf San Giorgio oberhalb des Comer Sees entdeckt, weiß er sofort: Das ist sein Ort für die Rente.
Entgegen allen Warnungen kauft er eines der Häuser, die ursprünglich von Arbeiterfamilien aus dem nahe gelegenen Steinbruch bewohnt wurden. Inzwischen ist das Dorf nahezu verwaist, es führt keine Straße hinauf. Zwei Stunden muss Jürgen aus dem Tal nach oben wandern, er lebt dort wochenlang in Einsamkeit. Seine Frau Barbara teilt Jürgens Traum nicht. Sie bleibt im heimischen Dorf in Niedersachen. "Wir waren schon immer sehr unterschiedlich", sagt sie. "Aber wir akzeptieren uns und finden es gut, dass jeder zeitweise sein eigenes Leben lebt."
Als Au-Pair-Oma in die Welt
Cornelia ist 65 und hat seit dem Tod ihres Mannes vor fünf Jahren mit dem Alleinsein zu kämpfen. "Geplant war, dass wir gemeinsam in den Ruhestand gehen und dann etwas Schönes machen", sagt sie. Jetzt ist sie oft traurig und sehnt sich nach dem Gefühl, gebraucht zu werden. Durch einen Zeitungsartikel bekommt sie Inspiration: als Au-pair-Oma in die weite Welt reisen. "Am meisten reizt mich der Gedanke, für andere da zu sein. Dass ich dabei noch Orte kennenlerne und fremde Kontinente bereisen kann, ist toll." Doch Corona macht ihr einen gehörigen Strich durch die Rechnung. Von Australien, Abu Dhabi oder Schanghai muss sie sich gedanklich verabschieden.
Dann nimmt sie Kontakt zu einer Familie in Österreich auf: zu einem Mann mit zwei Mädchen, deren Mutter vor drei Jahren starb. Der Vater ist Hopfenbauer und schafft es nicht allein, sich um Töchter, Schule und den Hof zu kümmern. Für Cornelia wird es ernst, sie beschließt, ihre Wohnung in Berlin unterzuvermieten und nach Österreich zu gehen. Beim Kofferpacken kommt allerdings ein bisschen Panik auf: "Ich hoffe, dass ich die Erwartungen nicht zu hoch gesteckt habe und nachher enttäuscht bin."
Noch einmal die Schulbank drücken
Sorgen vor Enttäuschung hat auch Jianni ab und zu. Doch dann verdrängt er die negativen Gedanken und blickt wieder nach vorn. Der 60-Jährige will noch einmal hoch hinaus und die Lizenz zum Fluglehrer machen. Seit jeher begeistern ihn Flugzeuge, doch lange waren sie unerreichbar. Jianni stammt aus armen Verhältnissen. Als er drei Jahre alt war, kam sein Vater mit der Familie als Gastarbeiter aus Griechenland nach Deutschland. Nach der Schule machte er eine Lehre in einer Polsterei, arbeitete in diesem Beruf, bis ihn eine Krebserkrankung aus der Bahn warf. "Ich war 46, als die Ärzte mir sagten, dass ich nur noch wenige Monate leben würde", erinnert sich Jianni. "Da habe ich gedacht, entweder ist es jetzt mit dir vorbei, oder du startest durch."
Für die Fluglehrer-Lizenz muss er zunächst eine theoretische Prüfung absolvieren, die es in sich hat. Jianni drückt noch mal die Schulbank und kommt oft an seine Grenzen. "Früher hatte ich nie Probleme mit Lernen oder Prüfungen. Einmal durchlesen, und gut war es", sagt er. "Aber jetzt merke ich, dass mein Speicher viel kleiner ist, ich mir die Fakten nicht mehr so gut merken kann und mir die Sachen immer wieder durchlesen muss – und sie dann trotzdem durcheinanderbringe. Das Lernen ist sehr mühsam." Bis zuletzt zittert er: Schafft er die Prüfung?
"37°" begleitet die Rentner ein Jahr lang, erlebt ihre Hoffnungen und Enttäuschungen mit. Die Zuschauer klettern mit Jürgen zu seinem einsamen Bergdorf, erleben die Sorgen seiner Familie, begleiten Cornelia bei ihrem Versuch, in einem ganz neuen Leben Fuß zu fassen, und zittern mit Jianni um seinen Traum, das Rentnerdasein vor allem über den Wolken zu verbringen.