Wie nehme ich richtig Abschied? Standen früher traditionelle Bestattungsrituale im Vordergrund, liegt der Fokus der Bestatter*innen heute auf psychosozialer und seelsorgerischer Arbeit mit Hinterbliebenen. Eine jüngere Generation versucht, die Branche neu auszurichten.
Nur ein Sargmodell, dafür mehr Zeit
Ganz neue Maßstäbe in der Bestattungskultur will Eric Wrede (40) setzen. Er ist Gründer und Inhaber eines alternativen Bestattungshauses in Berlin. Früher arbeitete Eric erfolgreich als Musikmanager eines großen Plattenlabels. Doch das war dem heute 40-Jährigen irgendwann nicht mehr genug.
Er schraubte seinen Lebensstil drastisch herunter, lieh sich Geld und absolvierte ein Praktikum bei einem Bestatter. Heute verfolgt er einen radikalen Ansatz: Lediglich ein Sargmodel hat er im Angebot – zum Selbstkostenpreis. Sein Geld verdient der Familienvater vor allem durch eine individuelle und oft zeitintensive Betreuung der Hinterbliebenen. Angehörige erhalten Gelegenheit, in Ruhe Abschied von den Verstorbenen zu nehmen und sich auf Wunsch sogar am Sarg-Bau und der Herrichtung des Leichnams zu beteiligen.
Eine Auseinandersetzung mit dem Tod
Dafür gibt es laut Eric gute Gründe: "Du verabschiedest dich nicht von einer Leiche, sondern du verabschiedest dich von jemand, der eine Geschichte hat." Eric möchte seine Kundschaft dafür sensibilisieren, sich bereits im Vorfeld des Ablebens aktiv mit dem Tod auseinanderzusetzen. Auslöser für Erics Lebenswandel war das Hören eines Radiointerviews mit dem Bestatter Fritz Roth, der als Vorreiter alternativer Bestattungsformen in Deutschland gilt.
Nach dessen Tod führt inzwischen Tochter Hanna (33) das Unternehmen, gemeinsam mit ihrem Bruder David. Zum Bestattungshaus in Bergisch Gladbach gehört sogar ein eigener Friedhof - ein absolutes Novum in Deutschland. Erlaubt sind hier zwar nur Urnenbeisetzungen, jedes Grab kann von den Angehörigen jedoch individuell gestaltet werden. Hanna möchte das Areal zu einem Ort der Begegnung machen und in den Alltag möglichst vieler Menschen integrieren. Deshalb sind spielende Kinder auf dem Gelände keine Seltenheit. Über ihren Arbeitsansatz sagt die Rheinländerin "Man muss das Rad nicht neu erfinden, sondern man muss die Wünsche zulassen."
Auch für Hanna ist es wichtig, mit dem Thema Endlichkeit bereits zu Lebzeiten offen umzugehen. So weiß die Mutter zweier Kinder schon mit gerade Mitte 30 ganz genau, wie ihre eigene Beisetzung später einmal verlaufen soll. Jetzt möchte Hanna mit ihrem Berliner Kollegen Eric ein gemeinsames alternatives Bestattungshaus in Leipzig gründen.
Eine Branche im Wandel
Bereits seit 1859 existiert das Bestattungshaus Tüllmann in Warstein. Vor zwei Jahren übernahm Christian das Unternehmen von seinem Vater Wilhelm. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern schlug der 42-Jährige erst einen anderen Berufsweg ein und wurde Ingenieur. Doch schon als Jugendlicher half Christian Tüllmann regelmäßig im Unternehmen der Eltern aus.
In der näheren Umgebung hat das Bestattungshaus, das Christian bereits in sechster Generation führt, eine gute Marktposition. Traditionen gelten vor Ort viel. Doch auch Christian merkt, dass sich die Wünsche seiner Kunden ändern. Darauf muss er reagieren. Keine leichte Aufgabe, in einem so konservativ geprägten Landstrich.
Trotzdem ist der Diplomingenieur verstärkt auf der Suche nach neuen Ideen. Neben serviceorientierten Leistungen, wie der Übernahme von Formalitäten auf Ämtern, hat der Unternehmer für seine Kunden auch Schmuck im Angebot, in den sich problemlos Aschestaub eines Verstorbenen einfüllen lässt. Kindern das Thema nahezubringen, ist dem zweifachen Familienvater ein echtes Anliegen. Regelmäßig empfängt er Schulklassen oder Kindergartengruppen in seinem Unternehmen, um schon mit den Kleinen über das Thema Endlichkeit und gutes Abschiednehmen zu sprechen. Dabei hat er Interessantes beobachtet: "Kinder nehmen den Tod als etwas ganz Natürliches wahr, wenn man mit ihnen darüber offen redet."