Als Vorsitzende des Bundesverbandes behinderter Pflegekinder e.V. setzt sich Kerstin dafür ein, dass behinderte Kinder wie bei ihr in einer familiären Umgebung aufwachsen dürfen statt im Heim.
Pflegemutter mit allen Sinnen
"Wenn man mir das Mama-Sein abspricht und sagt, wir sind keine Familie, sondern ein Kinderheim, dann ist das das Verletzendste, was man mir sagen kann." Kerstin Held ist Pflegemutter mit allen Sinnen. Sie hat ihr ganzes Leben auf ihre Pflegekinder abgestimmt. Da drei der Kinder Intensivpflege benötigen, beschäftigt sie Pflegekräfte, die rund um die Uhr an der Seite der Kinder sind.
Max (6) hat das Fetale-Alkohol-Syndrom. Er sollte nach Angaben der Ärzte weder Laufen noch Sprechen können. Nun plappert er wie ein Wasserfall. Cora (16), die Älteste, hat eine starke Epilepsie und Spastiken. Richard (8) ist Autist und hat ebenfalls das Fetale-Alkohol-Syndrom. Er wurde mit 2,4 Promille Alkohol im Blut in der Badewanne eines Bordells geboren. Jonathan (3) musste nach der Geburt wiederbelebt werden. Er ist fast blind und wird über eine Magensonde ernährt. Regelmäßig besucht ihn seine leibliche Mutter. Die junge Frau fühlte sich mit der Pflege überfordert. Zu Kerstin Held hat sie ein freundschaftliches Verhältnis.
Ein "Betrieb" mit 14 Mitarbeiter*innen
Der Familienalltag ist durchorganisiert. Freizeit hat die Pflegemutter kaum. Als Arbeitgeberin von 14 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen führt Kerstin Held ihre Familie wie ein kleines Unternehmen. Sie schreibt Dienstpläne, verwaltet Gehälter und kämpft sich durch den Behördendschungel, wenn es darum geht, Hilfsmittel für die Kinder zu beantragen. Das alles wäre schon ein Fulltime-Job.
Doch Kerstin Held engagiert sich auch noch politisch: Kinder mit Behinderung fallen in Deutschland nicht unter das Kinder- und Jugendrecht, sondern unter das Sozialrecht. Da die beiden Gesetze nicht ineinandergreifen, ist vieles ungeregelt. Zum Beispiel gibt es in Deutschland kein Gesetz, das die Unterbringung von Pflegekindern mit Behinderung regelt. Die meisten leben daher in Heimen. Das muss zwar kein Nachteil sein, aber die Chancen für emotionale Bindung und eine positive Entwicklung sind in einer Familie größer. Das zeigt sich bei Kerstin Helds Pflegekindern eindrücklich.