Von ihrem Einsatz und Geschick hängt nicht selten ab, wie angst- und schmerzfrei eine Mutter ihr Kind zur Welt bringt. Aber es fehlt an Geld in den Kliniken und an politscher Unterstützung. Folge ist ein gefährlicher Hebammen-Mangel in Deutschland.
Melanie (40) kennt Phasen, in denen sie praktisch kaum noch aus dem Kreißsaal herauskommt: "Das kann manchmal ganz schön haarig sein, ich hatte in acht Tagen fünf Geburten, danach war der Akku leer, und ich hatte eben nicht die Zeit, mich zu regenerieren."
Doch weil sie Frauen unter der Geburt nicht allein lassen und sie lieber im 1:1-Modell betreuen möchte, nimmt die Beleg-Hebamme aus Bad Mergentheim das alles in Kauf. Deshalb ist ihr Handy immer auf Empfang – es klingelt mitten in der Nacht, an Feiertagen und auch, wenn eines ihrer drei Kinder krank ist. Damit Melanie für ihre Frauen da sein kann, hält ihr Ehemann Andreas zu Hause die Stellung. "Es funktioniert nur, wenn alle zurückstecken." Doch trotz Rufbereitschaft und hohem Arbeitspensum kann Melanie lange nicht alle Schwangeren betreuen, die sie täglich anrufen. Besonders schlimm ist es, wenn Frauen sie weinend um Unterstützung bitten und nicht selten schon eine traumatische Geburt ohne angemessene Hebammen-Begleitung erlebt haben, wie sie erzählt.
Mangel an Hebammen in Krankenhäusern
Peggy (45) arbeitet als festangestellte Hebamme am Caritas-Krankenhaus in Bad Mergentheim. Auch sie leidet unter dem Mangel an Hebammen in Deutschland: "Also, es gibt Tage, da tut einem das schon ganz schön weh, dass man einer Frau sagen muss, ich muss jetzt mal raus, und die sagt: 'Nein, bitte bleib hier, geh nicht weg!' Die Frauen brauchen einfach jemanden, der bei ihnen ist, der Zeit hat, und dann braucht man auch andere Dinge weniger, wie Schmerzmittel oder Kaiserschnitte." Manchmal betreut sie parallel bis zu drei, vier Frauen, die in den Wehen liegen. Die Angst, Fehler zu machen, begleitet sie nicht selten bis in den Schlaf.
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In ganz Deutschland beklagen Krankenhäuser schwere Probleme bei der Stellenbesetzung von Hebammen, was mit deren extremer Arbeitsbelastung begründet wird, wie ein aktuelles Gutachten des Bundesministeriums für Gesundheit ergeben hat. Das Fallpauschalensystem ist ein maßgeblicher Grund, weswegen Geburtshilfe für Kliniken immer unrentabler wird. Die Folgen der notwendigen Sparmaßnahmen sind dramatisch und für alle spürbar. Um in ihren Schichten alles für das Wohl von Müttern und ihren Kindern geben zu können, arbeitet Peggy mittlerweile nur noch in Teilzeit. "Zwar sind die Dienste stressig, aber irgendwann zu Ende, und dann kann ich nach Hause gehen. Und das ist für die Hebammen, die immer rufbereit sind, natürlich nicht so."Oft am Rande der Belastbarkeit
Davon kann Anna (38) ein Lied singen. "Auch wenn man mir das nicht immer ansieht, dass ich zwei durchwachte Nächte hinter mir habe, habe ich mich schon einige Male am Rande der Belastbarkeit gefühlt." Kein Wunder bei einem Arbeitspensum, das nicht selten bei 90 Wochenstunden liegt. Anna lebt für ihren Traumberuf – und als eine der wenigen Hebammen in Deutschland macht sie noch Hausgeburten. Für sie der "schönste Weg, Kindern auf die Welt zu helfen", weil sie den Frauen dabei Ruhe, Selbstbestimmung und viel Zeit geben kann, damit die Geburten so natürlich wie möglich stattfinden können.
Dafür muss die Hebamme wie all ihre freiberuflichen Kolleginnen eine extrem teure Haftpflichtversicherung abschließen und ihre Arbeit genau dokumentieren. "Wir sind bis zu 30 Jahre haftbar für mögliche Fehler. Mit diesem Druck können viele nicht umgehen." Und tatsächlich geben immer mehr freiberufliche Hebammen die Geburtshilfe auf. Doch auch bei der Betreuung von Frauen im Wochenbett legen engagierte Hebammen wie Anna und Melanie drauf. Ein Hausbesuch dauert schnell mal eine Stunde, der Lohn dafür: circa 38 Euro. Ihr Patchwork-Leben mit Mann und sechs Kindern leidet nicht selten darunter. "Viele Ehen zerbrechen", weiß ihr Mann Igor. "Aber ohne Geburtshilfe, ohne diesen Zauber, könnte ich es mir nicht vorstellen", sagt Anna.Es werden mehr Hebammen benötigt
Schon seit Jahren warnen die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe , und der Deutsche Hebammenverband sowie der Elternverein Mother Hood e. V.: Es gibt zu wenig Hebammen, um die Versorgung der Frauen zu gewährleisten. Neue Maßnahmen wie die Haftpflicht-Ausgleichszahlung vom Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen oder die Neuordnung und Akademisierung des Berufsstandes sind zwar auf den Weg gekommen, aber das Fallpauschalensystem, die schlechte Bezahlung und die mangelnde gesellschaftliche Anerkennung machen es Hebammen immer schwerer, das zu tun, was sie am besten können: dem Wunder Leben seinen Weg zu bereiten.
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