Sie wollten zusammen alt werden, ihre Kinder großziehen. Damit ist es vorbei. "37°" begleitet zwei Frauen und einen Mann bei dem Versuch, als Witwen und Witwer in die emotionale Normalität und in so etwas wie einen Alltag zurückzufinden. Wie gelingt das?
Die Welt bleibt stehen
Am Morgen des 14. November 2019 ist die Welt für Anja (39) noch in Ordnung. Die diplomierte Gesundheitsökonomin, die wie ihr Ehemann bei einer Krankenkasse beschäftigt ist, legt an diesem Tag die Prüfung als Yogalehrerin ab, den Sport, den sie in ihrer Freizeit so gern betreibt. Auch Ehemann Sebastian ist sportlich unterwegs und gilt als kerngesund. Als am späten Abend dieses Tages das Handy klingelt, ist nichts mehr wie zuvor. Anja wird in die Sporthalle gerufen, wo der Ehemann völlig unerwartet an einem Herzinfarkt stirbt. Mit 41 Jahren.
Anjas Kinder, die Tochter 14, der Sohn 17, versuchen, den Verlust des Vaters mit sich selbst auszumachen. Anja wird von Freunden und Verwandten unterstützt. Deren Nähe ist unentbehrlich, wenn Erinnerungsdaten wie Geburtstage, Hochzeitstage und so weiter anstehen. Die Arbeit, die Kinder, der Sport helfen ihr bei den extremen Gefühlsschwankungen. Ob das Leben je wieder schön sein wird?
Mit 30 Jahren verwitwet
Julia ist mit gerade mal 30 Jahren schon Witwe. Ihr Ehemann stirbt mit 45, auch nach einem Herzinfarkt. Seitdem lebt Julia allein mit ihrem – beim Tod des Ehemannes - noch nicht zweijährigen Sohn in einem niedersächsischen Dorf. Nicht nur die Trauer fordert die letzte Energie. Neben der emotionalen Krise gilt es, auch die finanzielle durchzustehen, denn die Kredite für ihr Haus laufen weiter. Die Witwenrente ist gering.
Bis zu seinem Tod hatte ihr Ehemann Joachim, gelernter Schreiner, später Erziehungshelfer, den Sohn in Elternzeit betreut und auch beim Aus- und Umbau des Hauses fast alles selbst gemacht. Julia verdiente das Geld.
Allein mit dem kleinen Kind kann sie nicht mehr so viel arbeiten. Wie soll sie all die Rechnungen bezahlen? Wo bringt sie ihren Sohn unter, wenn sie zur Arbeit fährt? Diese Unsicherheiten und das Gefühl, mit allem allein zu sein, bringen sie in eine so starke seelische Notlage, dass sie krankgeschrieben wird. Als sie wieder arbeiten gehen kann, kommt Corona, und ihr Sohn muss zu Hause betreut werden. Ihr Streben, über die Arbeit wieder in einen ausgeglichenen Tagesrhythmus zu kommen, mündet in einen lähmenden Stillstand. Wird das je wieder anders werden?
"Familienmanager" - eine neue Rolle
Nach zwei Jahren Hoffen und Bangen im Kampf gegen einen Tumor verliert der 47-jährige Stefan aus dem oberschwäbischen Braunenweiler seine Ehefrau Heike (38). Für seine beiden Kinder, heute drei und neun, muss er lernen, "Familienmanager" zu sein. Das hat zuvor seine Ehefrau übernommen. Verwandte, die ihm im Alltag helfen könnten, hat er nicht. So wird sein Tagesablauf durch Hausarbeit und die Beschäftigung mit den Kindern bestimmt. Er selbst ist – nach mehreren Operationen am Arm – krankgeschrieben. Eigentlich bräuchte er wegen der Kinder psychologische Hilfe. Nur sind die Termine dafür Monate im Voraus ausgebucht.
Die bürokratischen Kämpfe mit den Behörden wegen einer Haushaltshilfe und die ärztlichen Gutachten sind zermürbend. Dazu kommt die Ungewissheit, ob er nach über anderthalbjähriger Krankschreibung seine Arbeit im Außendienst bei den Stadtwerken jemals wieder aufnehmen kann. Rat sucht er sich – wie viele Betroffene - im Netz; im Austausch mit anderen jung verwitweten Frauen und Männern. Von Beantragung der Witwenrente bis hin zu Fragen, wie er das Weihnachtsfest allein mit den Kindern gestalten soll.
Über dieses Forum kommt er mit einer 38-jährigen Witwe in Kontakt, die wie er zwei Kinder hat. Was zunächst nur ein Informationsaustausch war, wird nach einiger Zeit persönlicher. Bald entsteht der Wunsch zu einem Treffen.
37 Grad-Autor Walter Krieg über "Jung verwitwet und allein"
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Reportage über Eltern von Sternenkindern