Luna und Lennard wurden aus ihren überforderten Familien genommen und haben die typische Abstiegsspirale stark verhaltensauffälliger Kinder durchlaufen. Für beide begann eine Odyssee durch die Instanzen der Jugendhilfe. Wo finden sie einen Platz, wer gibt ihnen Halt?
Spielfilm zum Thema Systemsprenger
"Das Haus war meine Festung"
Bis zu ihrem 14. Lebensjahr lief alles ganz gut. Vielleicht ein bisschen chaotisch, weil ihre Mutter alleinerziehend war und Luna als ältestes von fünf Kindern sehr viel Verantwortung zu tragen hatte. Aber das Leben auf dem Land in ihrem großen Haus mit ihren Tieren gefiel ihr. "Das Haus war meine Festung, hier konnte ich Spaß haben, traurig sein und mich beschützt fühlen."
Doch dann, als sie gerade in der Schulkantine war, kam der Anruf, dass ihr Haus in Flammen steht. Luna kümmert sich um ihre Geschwister, um ihre Mutter, die unter Schock steht. Das Haus ist nicht mehr bewohnbar, und die Familie bekommt eine Zweizimmerwohnung zugewiesen. Hier geht es vornehmlich um die Not der Kleinen, ihre Ängste stellt Luna hinten an, schluckt sie runter. In dieser Ausnahmesituation tauchen plötzlich lang verdrängte Erinnerungen an den Vater auf. Vor ihm und seinen Aggressionen wollte sie ihre kleinen Geschwister damals schützen, fühlte sich aber hilflos und ohnmächtig. Luna ist nicht fähig die inneren Bilder zu sortieren, sie kann das alles nur herausschreien: ihre Wut, diese unerträgliche Ohnmacht.
In der Abwärtsspirale
Eines Nachmittags zerschlägt Luna die Türen und geht auf die Geschwister los. Ihre Mutter ruft die Polizei. "Als ich in diesem Polizeiwagen saß, dachte ich nur, das war's, jetzt hast du keine Familie mehr. Aber gleichzeitig wusste ich, dass ich selbst schuld war."
Von da an geht es abwärts. Sie fliegt von der Schule und aus dem Heim, kommt in eine neue Einrichtung und muss auch diese wieder verlassen. Eine Maßnahme folgt auf die nächste. Immer wieder heißt es, Luna sei nicht tragbar, eine Gefahr für die Gemeinschaft. Als letzte Chance bekommt sie eine eigene kleine Wohnung und einen Betreuer, der es gut mit ihr meint. Mittlerweile ist sie 18 und scheinbar ruhiger und ausgeglichener. Bis ein Brief vom Gericht kommt mit schlechten Nachrichten und Luna wieder komplett ausrastet.
Im Notfall: Hilfe holen!
"Das ist wie beim Strom."
Lennard (12) würde am liebsten den ganzen Tag mit dem Hund aus der Nachbarschaft spielen. "Wenn ich traurig bin, weil ich nicht bei meiner Mama sein kann, tröstet mich der Hund." Nicht bei seiner Mutter sein zu können – das ist das Gefühl, das Lennard seit seinem dritten Lebensjahr begleitet. Und das ihn manchmal an seine Grenzen bringt. Zum Ausrasten, wie er das nennt. "Das ist wie beim Strom. Der muss etwas haben, wo er sich entlädt. So ist das bei mir auch. Du brauchst irgendwas, woran du es auslässt. Wenn es die Tür ist, wenn es die Wand ist, wo dann irgendwann ein Loch drin ist oder wenn du es ins Kissen schreist."
Nach traumatischen Kindheitserlebnissen wurde Lennard von seiner damals noch sehr jungen Mutter getrennt und seitdem durch die Instanzen des Jugendhilfesystems gereicht. Mit sieben Jahren hatte er bereits in elf verschiedenen Familien und Einrichtungen gelebt, weil für ihn und seine Wut nirgends dauerhaft Platz war. In seiner zwölften Station, einer betreuten Jungen-WG im Harz, würde er gern bleiben. Die Ausraster sind selten geworden, und einmal im Monat darf er seine Mutter und die kleine Schwester besuchen. Ein Stück Normalität, das sich Lennard schon so viele Jahre wünscht. Aber dann geschieht etwas Unerwartetes.
Lennard und Luna geben einen Einblick in die verlorenen Seelen von Kindern, die sich nirgends angenommen fühlen.
Gedanken der Autorinnen Anabel Münstermann und Valerie Henschel:
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Hintergrundinfos zu Systemsprengern: