Was treibt Menschen dazu, rund 15 Jahre vor der gesetzlichen Rente beruflich neu durchzustarten, mit Teenagern die Schulbank zu drücken und sich dem Prüfungsstress auszusetzen?
"Das ganze Leben ist Veränderung"
Heike ist 52 Jahre alt, studierte Informatikerin, verheiratet und Mutter von drei Kindern. Als diese flügge wurden, wollte sie zurück in ihren Job – nur um festzustellen, dass sie sich die Arbeit in der IT-Branche nicht mehr vorstellen konnte. Sie fängt noch einmal von vorne an und beginnt eine Ausbildung zur Lokführerin bei der Stuttgarter S-Bahn. Hier ist sie nicht nur die älteste Schülerin, sondern noch dazu die einzige Frau. "Das ganze Leben ist Veränderung. Ich warte ja nicht darauf, dass ich in 13 Jahren in Rente gehe. Ich möchte mein Leben jetzt gestalten, und ich mache gerne was Neues. Die Arbeit erfüllt mich, deshalb ist es genau das Richtige für mich."
Der Quereinstieg zur Lokführerin dauert nur zwölf Monate, dafür ist das Lernpensum enorm. Neben Fahrschule und theoretischem Unterricht muss Heike vier Abschlussprüfungen schaffen. Ein bisschen Prüfungsangst hat sie auch: "Ich bin es auch nicht mehr gewohnt, zu lernen - wenn man das 20, 30 Jahre nicht gemacht hat, ist es schon schwierig, sich zu konzentrieren, und es ist einfach auch so, dass man nicht mehr so leicht lernt."
"Der Umgang mit den Kindern ist bereichernd."
Matthias hat 30 Jahre lang als Bankkaufmann gearbeitet. Irgendwann wurde ihm der Druck zu groß. Er kündigte, ließ sich ein Tattoo stechen und steckt mit 54 jetzt mitten in der Ausbildung zum Erzieher. Seine vier Kinder sind inzwischen aus dem Haus. Früher hat er das Dreifache verdient, dafür hat er jetzt regelmäßige Arbeitszeiten: "Der Umgang mit den Kindern ist bereichernd. Zu sehen, wie sich Kinder entwickeln und da dann ein stückweit daran beteiligt gewesen zu sein. Das finde ich schon super. Und dass man einfach gemocht wird, Kinder sind da total ehrlich."
Anstrengend ist es trotzdem, und manchmal merkt er auch, dass er keine 20 mehr ist. Seine Familie steht voll hinter ihm. Seine Frau arbeitet schon seit 30 Jahren als Erzieherin, jetzt hilft sie ihm beim Lernen für die Schule. Vor allem am Anfang tat der ehemalige Banker sich schwer mit seiner neuen Rolle als Azubi: "Früher war ich derjenige, der seinen Kollegen geholfen hat, erfolgreich zu sein, und Kritik ausgeteilt hat. Jetzt muss ich mich zurücknehmen und akzeptieren, dass mir Berufserfahrung und Kenntnisse fehlen. Das ist nicht immer einfach, vor allem wenn ich manchmal die Meinung meiner Vorgesetzten nicht teile."
"Tun, was einem gesagt wird!"
Die selbstständige Künstlerin Gabriele (52) aus Osnabrück steht kurz vor dem Abschluss ihrer dreijährigen Kochausbildung. Ihre Mitschüler an der Berufsschule sind vorwiegend zwischen 16 und 20 Jahre alt, ihre Küchenchefin Marie könnte mit 23 Jahren ihre Tochter sein. "Diese starke Hierarchie, das war für mich erst mal schwierig, mich da einzufinden, in diese Azubirolle, dass man funktionieren muss und das tun, was einem gesagt wird. Das war schon schwierig am Anfang."
Durch die Kochausbildung hat sich Gabrieles Leben grundlegend verändert. Einerseits durch den Umgang mit den jungen Kollegen und durch die nächtlichen Arbeitszeiten in der Gastronomie. Meist muss sie dann arbeiten, wenn ihre Freunde freihaben. "Das ist schon ein Knochenjob, der dem Körper sehr viel abverlangt. Ich glaube, dass der Körper schon, wenn man 20 Jahre jünger ist, fitter ist. Ich musste mich wirklich erst daran gewöhnen und habe das mindestens ein halbes Jahr lang mit Massage begleitet."
Wir begleiten drei Menschen, die das Abenteuer wagen und ganz unten, als Lehrlinge, neu anfangen, Seite an Seite mit 20-Jährigen. Die Zuschauer erleben sie bei den großen Herausforderungen, die ihre neue Aufgabe bereithält.