In der Werbung, in Filmen, in unserem Alltag ist Sex omnipräsent. Aber wie steht es um die Sexualität von Menschen mit Behinderungen? Bei einer körperlichen Behinderung scheint die Antwort klar. Die Betroffenen können ihre Bedürfnisse formulieren und ausleben.
Intimität gegen Bezahlung
Aber was ist mit Menschen mit geistiger Behinderung? Menschen, die sich verbal womöglich nicht ausdrücken können, deren Selbstbestimmung aufgrund ihrer körperlichen Einschränkung im täglichen Leben oft gegen null geht? Ihre Sexualität ist etwas, worüber kaum jemand sprechen möchte. Bei Edith Arnold ist das anders. Sie besucht diese Menschen und wird intim mit ihnen - gegen Bezahlung.
Und so kann man sich eine solche Sexualbegleitung vorstellen: Als Edith den Raum betritt, herrscht Stille. Sie macht leise Musik an und dimmt das Licht. Im Krankenbett liegt Tim. Der junge Mann kann nicht sprechen, aber seine Vorfreude ist zu spüren. Die Frau spricht leise zu ihm, während sie sich über ihn beugt. Nach einiger Zeit berührt sie ihn. Es geht um Aufmerksamkeit, um körperliche Nähe. Was zwischen Tim und Edith in der Stunde ihres Beisammenseins passiert, ist offen.
Wo ist die Grenze zur Prostitution?
Der Film porträtiert die 29-jährige Edith und stellt immer wieder die Frage, ob ihre Arbeit einen Zugewinn an Selbstbestimmung für Menschen mit geistiger Behinderung darstellt. Die Sexualbegleiterin selbst plädiert für mehr Differenziertheit bei diesem Thema. "Nur weil ich Sexualbegleiterin bin, bin ich noch lange keine Heilige. Aber nur weil ich eine bezahlte sexuelle Dienstleistung anbiete, bin ich auch niemand Schlechtes", sagt sie.
Aber warum hat sich die Hamburgerin für diesen ungewöhnlichen Beruf entschieden? Der Film versucht, ihr Handeln sowie ihre Motivation zu ergründen, und hinterfragt ihr Tun kritisch. Wo genau liegt die Abgrenzung zur Prostitution? Immerhin nimmt Edith Geld für sexuelle Leistungen. Eine Stunde kostet 150 Euro.
Die Sexualbegleiterin als eine Antwort
Wie funktioniert die Kommunikation mit ihren Kunden, und woran erkennen Edith Arnold, die Eltern oder das Pflegeumfeld, dass jemand mit einer geistigen Behinderung den Wunsch nach Nähe und Sexualität verspürt?
Die Mutter des schwer-mehrfachbehinderten Tim hat sich für Sexualbegleitung entschieden. Sie hat das sexuelle Bedürfnis ihres Sohnes früh bemerkt - eine regelrechte Notsituation. "Wir haben dann schon gedacht: Was kann man machen? Mal auf die Reeperbahn gehen? Gibt es da jemanden, der ihm helfen kann? Aber das war dann auch nicht die Lösung." Die Lösung heißt seit vier Jahren Edith Arnold.
"37 Grad" stellt sich diesem durchaus umstrittenen Thema und setzt sich mit dem wenig beachteten Feld der Sexualbegleitung und dem Alltag einer Sexualbegleiterin auseinander.