Wir begleiten den Aussteiger bei der täglichen Herausforderung, sich als Rudel-Chef zu behaupten, und versucht zu verstehen, warum ihn das Leben mit den Wolfhunden so viel mehr erfüllt als sein früheres.
Mit Wolfhunden unter einem Dach
Ein über zwei Meter hoher Metallzaun markiert das Ende einer unbefestigten Waldstraße. Zwischen Bäumen, Gestrüpp und Drähten liegt eine kleine Holzhütte. Die Luft ist feucht und schwer, es riecht nach rohem Fleisch: Mittagszeit für Christian Berges tierische Familie. Auf großen Tellern trägt der klein gewachsene Mann ganze Hühnchen in die Gehege. Die hüfthohen Raubtiere beobachten ihn, pirschen sich langsam an. Als Berge gerade den Zaun hinter sich zuzieht, schnellen sie hervor.
Seit über zehn Jahren lebt der 57-Jährige gemeinsam mit seinen Tieren in Buchholz an der Aller. Die Wolfhunde lassen sich optisch kaum von einem wilden Wolf unterscheiden, und auch ihr Verhalten ist weit entfernt von dem eines wohlerzogenen Haushundes. Mit vorsichtigen Schritten und leuchtenden Augen betritt ein großes, graues Tier das spartanisch eingerichtete Wohnzimmer. Der Raum erinnert mit dem zerschlissenen Sofa, dem abgewetzten Teppich und den Bissspuren an den Dielen an eine große Hundehütte. Auf einem Regal über dem Türrahmen steht eine mit Strasssteinen verzierte Urne. Darin die Asche von Berges "Seelenwolf" Noomi - so nennt er seine erste Wolfhündin. Sein größter Wunsch: einen wilden Wolf in der Natur sehen und an dieser Stelle die Asche seines geliebten Tieres verstreuen.
Burnout, Trennung - ein neues Leben
In seiner Vergangenheit lebt Berge ein bürgerliches Leben: Mit seiner Frau, zwei Kindern und einem Familienhund wohnt er im Speckgürtel von Hannover, arbeitet als Familienanwalt im Dorf, engagiert sich ehrenamtlich und in der Kommunalpolitik. Mit der Zeit lasten die täglichen Anforderungen schwer auf seinen Schultern. Zum körperlichen Ausgleich fährt er stundenlang Rennrad, nicht selten bis zur totalen Erschöpfung. In dieser Zeit beginnt Berge, der früher Angst vor Hunden hatte, sich für Wölfe zu interessieren, und er schafft sich nach und nach zwei Hunde und drei Wolfhunde an. Die politische Arbeit soll der Höhepunkt in Berges Karriere werden, doch damit werden der Druck und die gesellschaftlichen Erwartungen immer größer.
Nach 15 Jahren Dauerstress ist Berge ausgebrannt. Es folgt die Trennung von seiner Frau und der Auszug aus dem gemeinsamen Haus. Seinen Traum, mit wilden Tieren zusammenzuleben und diese auch zu züchten, verwirklicht Berge und lebt fortan in der kleinen Holzhütte in Buchholz an der Aller. Zu seinen fünf Tieren kommen mit der Zeit weitere Wolfhunde hinzu. Je näher sie genetisch am Wolf sind, umso größer Berges Faszination. Früher kämpfte er für Familien, nun haben die Raubtiere diesen Platz eingenommen. Das Geld, das er für sein spärliches Leben braucht, verdient der "Anwalt der Wölfe" nach eigenen Angaben durch Vorträge und mit eigenen Züchtungen. Seine Kinder akzeptieren mittlerweile das neue Leben ihres Vaters und besuchen ihn wenige Male im Jahr in seiner Hütte.
Ein Protagonist mit radikaler Haltung
Im Freundeskreis von Berge finden sich vor allem Wolf-Fans und Aktivisten, mit denen er seine Faszination teilen kann. Berge nutzt die sozialen Medien als Sprachrohr - er postet täglich Fotos, Videos und Texte zu seinen Tieren und zum Thema Wolf, letztere vor allem in Richtung der Wolfsgegner. Die Diskussion über die Chancen und Risiken durch die Rückkehr der wilden Wölfe in Deutschland ist in vollem Gange. Christian Berge, der sich selbst als "Speerspitze des Wolfsschutzes" sieht, polarisiert und eckt mit seiner radikalen Haltung an. Er sagt, er wolle für die Tiere kämpfen, solange er Kraft dafür habe.
Der Film zeichnet ein Porträt des ehemaligen Anwalts und heutigen Wolfsschützers Christian Berge. Um zu verstehen, weshalb er sich für ein Leben mit einem Rudel Wolfhunde entscheidet, unternehmen die Filmemacherinnen eine Reise in Berges Vergangenheit und begleiten ihn über ein Jahr lang in seinem Alltag. Ein Film über ein Leben Tür an Tür mit den Raubtieren und einem Menschen, der sich nichts Schöneres vorstellen kann.