Auch zwölf Prozent der erwachsenen Internet-Nutzer wurden schon belästigt. Die Folgen sind fatal: Jedes vierte Opfer denkt an Suizid. Jeder fünfte hat aus Verzweiflung schon Alkohol getrunken oder Tabletten eingenommen.
Vom Pausenhof ins Netz
Erfolgten die Beleidigungen früher auf dem Pausenhof, hat sich jetzt das Mobbing in die Chats und digitale Welt verlagert und verfolgt die Opfer bis in die Kinderzimmer, ins Privatleben. Die meisten Angriffe sind anonym. Die Folgen sind Selbstzweifel, Scham über neue Posts und die verzweifelte Suche nach einem Grund. Gerade Jugendliche in der Pubertät sind besonders unsicher und verletzbar, die Angriffe hinterlassen tiefe Wunden, die oftmals schwere Folgen haben bis hin zum Suizidversuch.
Lijana Kaggwa (25) hat Schlimmes erlebt, wehrt sich, aber bleibt bis heute Betroffene von Cybermobbing. 2020 ist Lijana Finalistin von Heidi Klums TV-Show "Germany's Next Topmodel". Doch live, vor laufenden Kameras steigt Lijana aus der Show aus. Denn auf ihren Social Media-Kanälen wird Lijana massiv gemobbt. Sie erhält sogar Morddrohungen: "Man denkt erst mal - man ist einfach nichts wert und man denkt einfach, man soll hier nicht sein auf dieser Welt."
Erst Top-Model, dann Mobbing-Opfer
Lijana schildert, wie aus Hassmails persönliche Angriffe wurden. Die Polizei konnte ihr nicht helfen, Anzeigen verliefen im Sand – der Datenschutz war den Strafverfolgern wichtiger. Ohne ihre Mutter wäre Lijana verzweifelt. Sie ist heute Betroffene, doch sie will kein Opfer mehr sein. Lijana berät Cybermobbing-Opfer. Zusammen mit der evangelischen Jugendkulturkirche Kassel zeigt sie Jugendlichen, wie sie sich vor Angriffen schützen. Viele von ihnen hatten schon erste negative Erlebnisse in Chats und Social-Media-Kanälen. und doch bleiben die Hass-Attacken aus der Social-Media-Welt wie eine dunkle Wolke auch über Lijana. Sie arbeitet als Model, doch immer wieder muss sie von ihrer Agentur hören, dass Kunden sie auf Grund ihrer Vergangenheit nicht buchen möchte.
Schlechte Gesetzeslage
In der Reportage wird deutlich, dass noch immer die Gesetzeslage mangelhaft ist, denn ein Großteil der Strafanzeigen verläuft im Sand. Aufklärung, Forschung und Präventionsmaßnahmen finden kaum statt.
Carsten Stahl, 49, ist vielen Jugendlichen bekannt, weil er 300 Folgen lang Ermittler in der TV-Serie "Privatdetektive im Einsatz" war. Carsten wird von ihnen akzeptiert, weil er selbst als Kind Mobbingopfer war – und niemand ihm half. Als auch sein Sohn mit sechs Jahren gemobbt wurde, bietet Carsten Berliner Schulen an, als "TV-Ermittler" über Cybermobbing und Diskriminierung zu sprechen. Mittlerweile gibt er Mobbing-Präventionskurse in ganz Deutschland. Seine Methoden sind brachial und deshalb umstritten, aber erfolgreich. 37 Grad beobachtet Carsten, wie er an einer Schule mit Jugendlichen arbeitet. "Mobbing ist ein Problem der Gesellschaft, und jede Schule hat das Problem", sagt der Anti-Mobbing-Coach. "Wenn man anfängt, das Problem totzuschweigen oder zu verharmlosen oder sogar zu leugnen, dann gerät es außer Kontrolle und wird gefährlich."
System und Folgen von Cybermobbing
37 Grad begleitet Carsten auch, wie er besonders schwere Fälle von Cybermobbing ganz persönlich betreut. Seine größte Sorge: Gerade bei Jugendlichen in der Pubertät sei die Gefahr eines Suizids besonders groß. Er zeigt Eltern, wie sie helfen können und versucht, das Schlimmste zu verhindern.
Die Reportage beschreibt das System und die Folgen von Cybermobbing, und wie hilflos die Opfer den Attacken aus dem Netz ausgesetzt sind. Gezeigt wird zudem, wie sich Jugendliche und Erwachsene wehren, an wen sie sich wenden können.