Fast jedes zehnte deutsche Paar zwischen 25 und 59 ist ungewollt kinderlos. "37°" begleitet ein Paar im ersten Adoptionspflegejahr und ein Paar, das sich mit Geduld und Liebe den Problemen seiner 13-jährigen Adoptivtochter stellt.
Schwangerschaft oder Adoption?
"Ich habe Ängste gehabt, ganz wilde Gedanken, was ist, wenn Du dieses Kind nicht lieben kannst, wenn du es siehst, und Du findest es blöd – oh Gott. Und ich bin in dieses Zimmer rein, in dem Linnéa lag, und es hat keine Sekunde gedauert, dass ich wusste, ich will und werde für diesen Wurm den Rest meines Lebens da sein. Ich bin direkt in Tränen ausgebrochen", erinnert sich der 52-jährige Marc an die Fahrt ins Krankenhaus und den ersten Augenblick mit seiner Adoptivtochter Linnéa. Das kleine Mädchen wurde ein paar Tage zuvor geboren und lag mit einer Entzugsproblematik in der städtischen Kinderklinik. Ihre leibliche Mutter hat sie zur Adoption freigegeben, weil sie aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage war, ihr Kind großzuziehen.
Marc, der selbst adoptiert wurde, und seine Frau Katja sind bei ihrer Familienplanung sehr offen gewesen. "Wir haben aufgehört zu verhüten und uns gleichzeitig beim Jugendamt als Adoptiveltern beworben und gedacht, mal sehen, was schneller geht", erinnert sich Katja, 49 Jahre. Der Anruf vom Jugendamt kam schließlich schneller als eine Schwangerschaft.
Adoption als einzige Chance
Nicolina (33) und Martin (38) dagegen können selbst keine Kinder bekommen. Doch ihr Wunsch nach einem eigenen Kind ist riesengroß – und Adoption ihre einzige Hoffnung auf Familienglück. Sie sind im Bewerberpool der Koblenzer Vermittlungsstelle des Sozialdienstes katholische Frauen (SkF) und hoffen täglich auf einen Anruf, der ihr Leben verändert. Als das ersehnte Klingeln ertönt, stehen ihre Gefühle Kopf, und sie erleben glückliche Tage mit ihrer kleinen Tochter. Doch schon bald meldet sich die leibliche Mutter, die ihre Entscheidung rückgängig machen möchte und ihr Kind wieder zu sich nehmen will. Das darf sie nach geltendem Recht innerhalb der ersten acht Wochen. Nicolina und Martin freuen sich für das Kind – "aber für uns ist auch eine kleine Welt zusammengebrochen", erzählt Nicolina traurig. Ihren Weg wollen sie trotzdem weitergehen. Sie hoffen, über den SkF ein anderes Kind vermittelt zu bekommen, das zur Adoption freigegeben wurde.
So wie Linnéa, die 13-jährige Tochter von Marc und Katja. Sie hat bereits in der Schwangerschaft Traumatisches erlebt und durch den Drogenkonsum ihrer leiblichen Mutter verschiedene gesundheitliche Probleme mitgebracht. Sie war ein Schreibaby, hatte schweres Asthma und war Stammgast in der Kinderklinik. Hinzu kam mit zunehmendem Alter ein erhebliches Aufmerksamkeitsdefizit. Der Umstand, dass sie nicht das leibliche Kind ihrer Eltern ist, wurde ihr nie verschwiegen, und sie fordert, wie für angenommene Kinder typisch, die bedingungslose Liebe ihrer Eltern immer neu heraus. Nicht zuletzt aufgrund der eigenen Geschichte kann Marc ihr stets versichern, dass er und Katja sie immer lieben werden, egal was passieren wird.
Leibliche Eltern spielen immer eine Rolle
Die Auseinandersetzung mit den leiblichen Eltern ist immens wichtig. "Der Umstand, dass sie nicht 'gewollt' waren, verursacht sehr häufig ein Trauma bei Adoptivkindern. Jede noch so kleine Information über die Eltern ist oft wie ein Schatz", betont Claudia Iland, die seit 30 Jahren die Adoptions- und Pflegekindervermittlungsstelle des Sozialdienstes katholischer Frauen in Koblenz leitet. Darum versuchen sie und ihre Kolleginnen und Kollegen, auch unter den abgebenden Müttern immer für eine offene Form der Adoption zu werben. Das bedeutet, dass leibliche Eltern und Adoptionseltern sich kennenlernen und die annehmenden Eltern ihren Kindern von ihren leiblichen Müttern erzählen können. Noch schöner ist es natürlich, wenn regelmäßige Besuchskontakte zwischen den Kindern und ihren leiblichen Eltern stattfinden können.
Das ist für Nicolina und Martin selbstverständlich, als sie zum zweiten Mal das Glück haben, ein kleines Mädchen vermittelt zu bekommen. "Wir erzählen ihr von Anfang an, dass sie eine Bauchmama hat", berichten die jungen Eltern. "Wir stehen in Kontakt mit den leiblichen Eltern und wollen unserer Tochter das Gefühl geben, dass sie von uns allen geliebt wird." Gleichwohl hoffen sie inständig, dass sie dieses Mal mehr Glück haben und die Kleine nach einem Adoptionspflegejahr vor dem Familiengericht offiziell als "ihre" Tochter annehmen dürfen.
Abenteuer Adoptivfamilien
"37°" begleitet zwei Familien, die sich entschieden haben, Kinder zu adoptieren, und bietet einen Einblick in deren Alltag mit seinen emotionalen Höhen und Tiefen sowie existenziellen Fragen. Das Abenteuer Adoptivfamilie verspricht großes Glück und große Herausforderungen zugleich.