Malochen auf Kommando, immer einen Chef vor der Nase – oder soloselbstständig, also ständig arbeitend und damit auf sich allein gestellt sein. Das gefällt nicht jedem. Und so suchen Menschen nach alternativen Arbeitsmodellen.
Krisen und Diskussionen
Seit 1978 gibt es das "Ruffini" in München. Es ist nicht nur Café-Restaurant mit Konditorei und Weinhandel, sondern auch das älteste Kollektiv der Stadt. Eines ihrer jüngsten Mitglieder: Konditorin Mathilda. Im Kollektiv teilen sich alle 26 Gesellschafter die Verantwortung, fällen alle grundsätzlichen Entscheidungen gemeinsam – und erhalten alle den gleichen Stundenlohn, egal ob Konditormeister, Barkeeper oder Koch. Bei einem solchen Miteinander bleiben Krisen nicht aus – und endlos lange Diskussionen.
"Das kann durchaus sehr anstrengend sein. Man muss bei 26 Gesellschaftern durchaus kompromissbereit sein, denn anders macht es keinen Sinn", erzählt Mathilda ohne Bedauern. "Ich bin Menschenfreund. Ich habe total Lust, mich mit Menschen auseinanderzusetzen." Außerdem wird die Anstrengung aufgewogen durch ein Miteinander, das sie nicht missen möchte: "Eine Konditorei ist in der Regel sehr hierarchisch. Es gibt den Backstubenleiter, es gibt den Meister, die Gesellen. Dann kommen irgendwann die Azubis, die werden meistens ausgebeutet. So will ich nicht arbeiten."
Persönliches und Privates
Das "Kastenbau Kollektiv" in Witzenhausen steht nach zwei Jahren Vorbereitungszeit ganz am Anfang. Und doch gibt es schon feste Rituale: Wenn Jonas und seine drei Handwerker-Kollegen in ihren Arbeitstag starten, steht am Anfang eigentlich immer eine Befindlichkeitsrunde. Da kommt alles auf den Tisch, auch Persönliches und Privates. Verschenkte Zeit? "Wir haben festgestellt, dass das die Effizienz sogar steigert, weil wir danach halt viel weniger Probleme mit Konflikten und Reibungen haben" – und mehr Energie, um ihr Projekt eines modularen Tiny House an den Start zu bringen.
Denn das war der Plan von Jonas und seinen Kollegen, die früher alle als Solohandwerker gearbeitet haben. Doch bald stellten sie fest, dass ihnen die herkömmlichen Arbeitsstrukturen für so etwas nicht passten. Deshalb haben sie ein Kollektiv gegründet und arbeiten so weiterhin auf Augenhöhe. Entschieden wird im Konsens – und wenn es noch so lange dauert. Jonas ist überzeugt: "Letztendlich sind Entscheidungen, die von allen getragen werden, viel nachhaltiger. Das funktioniert, glaube ich, viel besser, als wenn eine Person entscheidet, und alle müssen das umsetzen." Außerdem "bin ich richtig glücklich, dass ich jetzt im Kollektiv arbeite, weil ich den Eindruck habe, wir können uns damit besser wertschätzen".