Biden wackelt, Macron zockt – leichtes Spiel für Nationalisten?

Fakten-Box | 4. Juli 2024

• Debatte um US-Präsident Biden

  

  Gut vier Monate vor der US-Präsidentschaftswahl haben sich Amtsinhaber Joe Biden und sein Herausforderer Donald Trump in einem ersten TV-Duell im Sender CNN einen Schlagabtausch geliefert. Sie stritten unter anderem über den Zustand der Wirtschaft, Abtreibung, die Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen.
  
  Joe Biden schnitt nach Ansicht vieler Beobachter schlecht ab. Der 81-Jährige sprach mit heiserer Stimme, wiederholte und verhaspelte sich in seinen Formulierungen und beendete seine Sätze nicht vollständig. Der US-Präsident erklärte sein viel kritisiertes Auftreten mit Müdigkeit nach mehreren internationalen Reisen in den letzten Wochen.
  
  Nach seinem Auftritt wurde in Medienberichten die Frage aufgeworfen, ob Biden nicht gegen einen anderen Kandidaten für die Präsidentschaftswahl ausgetauscht werden sollte. Dies wäre zwar möglich, aber kompliziert. Biden selbst müsste sich zum Rückzug entschließen, um vor dem Parteitag Mitte August Platz für einen anderen Kandidaten zu machen. 
  
  Auch in den eigenen Reihen gerät Biden zunehmend unter Druck. Einige Demokraten, wie der texanische Kongressabgeordnete Lloyd Doggett, äußerten die Hoffnung, dass Biden „die schmerzhafte und schwierige Entscheidung“ treffen werde, aus dem Rennen „auszusteigen“. Auch die ehemalige Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, sagte, es sei „legitim“, sich zu fragen, ob Bidens schwacher TV-Auftritt nur eine „Episode oder ein Dauerzustand“ sei.
  
  Bei einem Ausstieg des Amtsinhabers aus dem Präsidentschaftswahlkampf wäre Vizepräsidentin Kamala Harris keineswegs die logische neue Präsidentschaftskandidatin. Denn ihre Rolle als „Präsidenten-Ersatz“ bezieht sich ausschließlich auf den Fall eines unerwarteten Ausfalls des Präsidenten im Amt. Sie ist keine „Vize-Kandidatin“.
  
  Als mögliche andere Biden-Alternativen werden unter anderen die Gouverneur*innen der Bundesstaaten Kalifornien, Illinois und Michigan genannt. Sie haben Biden bislang den Rücken gestärkt und nicht erkennen lassen, an seiner Stelle einzuspringen.
  
  Immer wieder genannt wird auch die frühere First Lady Michelle Obama. Sie hat gute Umfragewerte, aber in der Vergangenheit konsequent betont, dass sie kein politischer Mensch sei und nie Interesse am Präsidentenamt gehabt habe.
  
  Wie am Mittwoch aus einer Umfrage der „New York Times“ hervorging, liegt Trump in der Wählergunst 6 Prozent vor Joe Biden. Am Mittwochabend traf er sich mit 20 Gouverneuren seiner Partei. Der Gouverneur von Maryland, Wes Moore, sagte, Biden habe bei dem Treffen „sehr deutlich gemacht hat, dass er angetreten ist, um zu gewinnen“.
  
  
  Quellen:  Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna
  
  

  Bildquelle: AFP

• Trump gewinnt Zeit

  

  Das oberste US-Gericht hat dem in diverse rechtliche Auseinandersetzungen verstrickten Ex-Präsidenten Donald Trump eine partielle Immunität gewährt. Der Supreme Court erklärte in seiner am Montag verkündeten Entscheidung, dass bei Amtshandlungen von US-Präsidenten grundsätzlich ein Schutz gegen spätere Strafverfolgung bestehe, bei „inoffiziellen“ Handlungen hingegen nicht.
  
  Der mit überwiegend konservativen Richtern besetzte Supreme Court verwies den Fall zurück an ein untergeordnetes Bundesgericht. Konkret geht es um eine Anklage wegen Trumps Versuche, seine Wahlniederlage von 2020 gegen den heutigen Präsidenten Joe Biden nachträglich zu kippen. Das Gericht muss nun prüfen, inwieweit sich die Anklage auf „offizielle“ oder „inoffizielle“ Handlungen bezieht.
  
  Der Immunitätsbeschluss wurde vom Supreme Court mit den Stimmen seiner sechs konservativen gegen die Stimmen der drei linksliberalen Richter gefällt. Für die mehrheitlich konservative Besetzung der Richterposten hatte Trump selbst gesorgt, indem er während seiner Amtszeit als US-Präsident drei konservative Richter am Supreme Court ernannt hatte.
  
  Die unterlegenen Richter am Supreme Court bezogen eine scharfe Gegenposition. Niemals in der US-Geschichte habe „ein Präsident Grund zu der Annahme gehabt, dass er immun gegen Strafverfolgung wäre, wenn er die Insignien seines Amtes benutzt, um das Strafrecht zu verletzen“, erklärte Richterin Sonia Sotomayor. „Mit Furcht für unsere Demokratie widerspreche ich“, kommentierte sie den Mehrheitsbeschluss.
  
  In jedem Fall bringt die Supreme-Court-Entscheidung für Trump einen wichtigen Zeitgewinn. Sie bedeutet, dass der Prozess zu seinen versuchten Wahlmanipulationen nicht vor der Präsidentschaftswahl am 5. November beginnen wird. Ursprünglich hatte der Prozess bereits Anfang März starten sollen, er wurde jedoch wegen der ungeklärten Immunitätsfrage ausgesetzt.
  
  Trump bewertete die Supreme-Court-Entscheidung in seinem Online-Netzwerk Truth Social als „großen Sieg für die Verfassung und Demokratie“. US-Präsident Joe Biden sprach am Montag von einem „gefährlichen Präzedenzfall“. Aus praktischer Sicht bedeute die Entscheidung mit ziemlicher Sicherheit, „dass es keine Grenzen für das gibt, was ein Präsident tun kann“, sagte Biden in einer Rede im Weißen Haus.
  
  Gegen Trump wurden insgesamt vier strafrechtliche Anklagen erhoben. Der 78-jährige Ex-Präsident spielt in allen juristischen Auseinandersetzungen auf Zeit. Bei einem Wahlsieg könnte er die Bundesjustiz anweisen, die gegen ihn erhobenen Anklagen fallenzulassen.
  
  Im New Yorker Prozess gegen Trump zu einer Schweigegeldzahlung an eine frühere Pornodarstellerin gab es bereits Ende Mai einen Schuldspruch. Die Geschworenen befanden Trump in allen 34 Anklagepunkten der Fälschung von Geschäftsdokumenten zur Vertuschung des Schweigegelds schuldig – er ist damit der erste strafrechtlich verurteilte Ex-US-Präsident der Geschichte. Das Urteil des Supreme Courts verzögert nun die Verhängung des Strafmaßes für Trump. Der zuständige Richter verlegte den ursprünglich für den 11. Juli angesetzten Termin auf den 18. September und somit nach dem Nominierungskongress der Republikaner.
  
  Quellen:  Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna

  Bildquelle: Brendan McDermid/dpa

• Frankreich wählt

  

  In der ersten Runde der vorgezogenen Parlamentswahlen erzielten Marine Le Pens Partei Rassemblement National (RN) und ihre Verbündeten 33,2 Prozent der Stimmen. Das Linksbündnis liegt bei 28 Prozent, während das Lager von Präsident Emmanuel Macron auf 20 Prozent kommt. Die bürgerliche Rechte landet bei 10,23 Prozent.
  
  Macron hatte die Neuwahl überraschend nach seiner Wahlschlappe bei der Europawahl Anfang Juni ausgerufen. Seine Strategie, die Parteien links und rechts seines Mitte-Lagers als unwählbare Extremisten oder deren Verbündete zu disqualifizieren, ging nicht auf.
  
  Wieviele Sitze die Blöcke in der Nationalversammlung bekommen, wird erst in Stichwahlen am kommenden Sonntag entschieden. Nur 76 Kandidaten erhielten in der ersten Runde die notwendige absolute Mehrheit. Alle anderen der 577 Sitze werden in Stichwahlen vergeben.
  
  In ungewöhnlich vielen Wahlkreisen, französische Medien berichteten von gut 300,  haben sich gleich drei Kandidaten für diesen zweiten Wahldurchgang qualifiziert. In der zweiten Runde reicht eine einfache Mehrheit.
  
  Macrons Partei und das Linksbündnis planen Absprachen, um sich nicht gegenseitig Stimmen wegzunehmen und damit dem RN lokal zum Sieg zu verhelfen. In über 210 der 577 Wahlkreise seien Drittplatzierte zugunsten der Kandidaten, die den RN schlagen können, zurückgetreten. Macron sagte bei einem Ministertreffen, es habe oberste Priorität, den RN von der Macht abzuhalten.
  
  Marine Le Pen reagierte zufrieden auf die Ergebnisse. Die Franzosen hätten „ihren Willen gezeigt, die Seite von sieben Jahren verachtender und zersetzender Macht“ Macrons umzuschlagen, sagte sie. Im Falle einer absoluten Mehrheit des Rassemblement National würde Frankreich erstmals von einer europaskeptischen Partei regiert, die Deutschland distanziert gegenübersteht.
  
  Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) warnte: „Es kann niemanden kalt lassen, wenn bei uns selbst, zum Beispiel bei der Europawahl, oder bei unserem allerengsten Partner und besten Freund eine Partei weit vorne liegt, die in Europa das Problem und nicht die Lösung sieht.“ Auch Bundeskanzler Olaf Scholz ist in Sorge: Die Situation sei „bedrückend“, sagte er in Berlin.
  
  CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann erklärte, die Neuordnung der Politik in Paris werde das Verhältnis zu Deutschland „fundamental verändern“ und „sehr stark belasten“. „Ich glaube, dass das Verhalten des französischen Präsidenten unklug war“, bemerkte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. Und Grünen-Chefin Ricarda Lang sagte „Politico“, Macron habe „jetzt wahrscheinlich eher zu einer Stärkung der Rechtsextremen beigetragen“.
  
  Quellen:  Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna

  Bildquelle: dpa/ Louise Delmotte/phoenix/AFP/Ludovic Marin

• Europas Nationalisten

  

  Parteien aus Tschechien, Ungarn und Österreich wollen im EU-Parlament die neue Rechtsaußen-Fraktion „Patrioten für Europa“ gründen. Zu diesem politischen Bündnis haben sich am vergangenen Wochenende Österreichs rechtspopulistische FPÖ, die rechtsnationale Partei FIDESZ des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban und die Partei ANO des populistischen tschechischen Ex-Premiers Andrej Babiš zusammengeschlossen.
  
  Ungarn Regierungschef Orban sagte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Babiš und FPÖ-Chef Herbert Kickl in Wien: „Unser Ziel besteht darin, dass wir in Kürze die stärkste rechtsgerichtete Vereinigung der europäischen Politik sein werden.“
  
  Um eine neue Fraktion im Europäischen Parlament zu gründen, braucht es mindestens 23 EU-Abgeordnete aus 7 Mitgliedsstaaten. FPÖ, FIDESZ und ANO verfügen zusammen über 24 Abgeordnete, das neue Rechtsbündnis benötigt also noch die Unterstützung von Parteien aus vier weiteren EU-Ländern.
  
  Ein Anschluss der AfD an das neue Bündnis stehe aktuell nicht auf der Tagesordnung, erklärte Daniel Tapp, Sprecher von AfD-Chefin Alice Weidel. Es eröffne aber „neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit anderen Parteien“. Bei der Europawahl war die AfD mit 15 Abgeordneten ins EU-Parlament gewählt worden. Nun sucht sie nach rechten Partnerparteien.
  
  Bislang hatten sich rechtspopulistische Parteien im Europaparlament in den beiden Fraktionen EKR (Europäische Konservative und Reformer) und ID (Identität und Demokratie) versammelt. Die ID-Fraktion hatte die Zusammenarbeit mit der AfD vor der Wahl aufgekündigt, nachdem Spitzenkandidat Maximilian Krah in einem Zeitungsinterview umstrittene Aussagen zur nationalsozialistischen SS gemacht hatte.
  
  Parteichefin Weidel räumte am Wochenende eine Mitverantwortung der AfD dafür ein, dass sie aus der ID-Fraktion ausgeschlossen wurde. „Bei uns sind Fehler passiert“, sagte Weidel am Rande des Bundesparteitages in Essen. „Es ist bitter.“
  
  In Italien regiert Ministerpräsidentin Giorgia Meloni von der postfaschistischen Partei Fratelli d'Italia in einer Koalition mit der rechtsnationalen Forza Italia und der rechtsextremen Lega. Für Meloni ist der Erfolg der Rechtspopulisten beim ersten Wahlgang in Frankreich ein Beleg dafür, dass eine „Verteufelung“ der extremen Rechten zunehmend an Wirkung verliert.
  
  „Der ständige Versuch, Menschen zu verteufeln und in die Enge zu treiben, die nicht für die Linke stimmen, ist ein Trick, auf den immer weniger Menschen hereinfallen“, sagte Meloni. Die rechtspopulistische Partei Rassemblement National (RN) war in der ersten Runde der französischen Parlamentswahl am Sonntag auf gut 33 Prozent gekommen.
  
  In den Niederlanden hat König Willem-Alexander an diesem Dienstag die neue Rechtskoalition vereidigt. Der parteilose Dick Schoof löst Mark Rutte nach 14 Jahren als Ministerpräsident ab. Die Vier-Parteien-Koalition wird von der islamfeindlichen Partei PVV des Populisten Geert Wilders angeführt, die die Parlamentswahl vor sieben Monaten gewonnen hatte.
  
  Unterdessen hat Ungarn am 1. Juli den EU-Ratsvorsitz übernommen. Regierungschef Viktor Orban hat für seine sechsmonatige Ratspräsidentschaft den Slogan „Make Europe Great Again“ gewählt.
  
  Quellen:  Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna

  Bildquelle: AFP

• Bundeskanzler gibt Garantie

  

  Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sichert den Bürgern zu, dass Deutschland durch seine Unterstützung für die Ukraine in deren Abwehrkampf gegen Russland nicht zur Kriegspartei wird. „Ja, ich gebe diese Garantie“, betonte in der Regierungsbefragung im Bundestag auf eine entsprechende Frage. „Dafür stehe ich als Kanzler.“
  
  Allerdings betrachtet Kreml-Chef Wladimir Putin Deutschland und das westliche Militärbündnis Nato schon lange als Kriegspartei. Praktische Folgen hat dies bisher jedoch nicht.
  
  Scholz lehnte einen Waffenstillstand in der Ukraine unter russischen Vorzeichen ab. „Aus meiner Sicht ist ein Waffenstillstand, der eine Kapitulation der Ukraine zum Gegenstand hat, einer, den wir niemals als Deutschland unterstützen dürfen.“ Ungarns Regierungschef Viktor Orban hatte anlässlich seines Besuchs in Kiew Anfang dieser Woche die Ukraine aufgefordert, im Krieg mit Russland eine Feuerpause in Erwägung zu ziehen.
  
  Orban besuchte das Nachbarland erstmals seit Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine im Februar 2022. „Ziel der ungarischen Ratspräsidentschaft ist es, zur Lösung der Herausforderungen beizutragen, vor denen die Europäische Union steht. Meine erste Reise führte daher nach Kiew“, schrieb der rechtspopulistische Politiker bei Facebook. In der Vergangenheit hatte Orban Hilfen für die von Russland angegriffene Ukraine verzögert und mehrfach versucht, Sanktionen gegen Moskau zu verhindern.
  
  Vor dem Nato-Gipfel in der kommenden Woche hat der Bundestag über die 75-jährige Geschichte des Verteidigungsbündnisses und die weitere Ausrichtung in Zeiten des russischen Angriffskriegs in der Ukraine debattiert. Russland bleibe „auf absehbare Zeit die größte Bedrohung für Sicherheit und Freiheit in Europa“, sagte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne).
  
  Russlands Präsident Wladimir Putin greife in der Ukraine auch Frieden und Freiheit in Europa an, sagte Baerbock. Darauf müsse Deutschland seine Verteidigungspolitik ausrichten. Auch die Unterstützung der Ukraine sei „keine Charity-Geste“, sagte Baerbock. Sie diene Deutschlands Sicherheit und dem Erhalt von Freiheit in Europa.
  
  Der Bundeskanzler hatte den Nato-Partnern zugesichert, dass Deutschland auch in den kommenden Jahren das sogenannte Zwei-Prozent-Ziel einhalten wird. Dies gelte auch, wenn der Sondertopf zur Modernisierung der Bundeswehr aufgebraucht sei, sagt Scholz am Mittwoch. Nato-Staaten sollen mindestens zwei Prozent der Wirtschaftsleistung in die Verteidigung stecken.
  
  Quellen:  Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna

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