Seit 1998 ist sexueller Missbrauch in der Therapie in Deutschland unter Strafe gestellt. Laut Ethikverein, einer Anlaufstelle für Betroffene, gibt es in Deutschland 1400 Fälle pro Jahr, nur vier kommen im Schnitt vor Gericht. Oft werden Verfahren vorher eingestellt.
Mit sieben Jahren missbraucht
Der damals siebenjährige Max wird mehrfach missbraucht von einem angesehenen Kinderpsychologen. Erst zehn Jahre später wird dieser verurteilt. Max berichtet, wie sich sein Leben seit dem Missbrauch verändert hat. Max, heute 26, geht an die Öffentlichkeit, um zu verhindern, dass sein Peiniger weiter als Therapeut arbeiten kann. Vor dem Hintergrund der Haftentlassung des Täters 2024 erzählte Max bei 37 Grad Leben erstmals öffentlich seine Geschichte.
2017 verliert Alexandra fünf nahe Verwandte in zwölf Monaten. Zur Trauerbewältigung beginnt sie eine Therapie. Nach knapp zwei Jahren kommt es zu privaten Treffen und Sex mit dem Therapeuten. Ihr psychischer Zustand wird immer schlechter, sie denkt an Suizid und beendet die Therapie. Es kommt zum Kontaktabbruch mit dem Therapeuten. Durch Zufall erfährt sie von einer weiteren Betroffenen, die zeitgleich durch den Therapeuten Missbrauch erlebt hat. Die beiden Frauen erstatten Anzeige. Ein Verfahren wegen 15-fachen Missbrauchs wird eröffnet. Als der Therapeut versucht, sich zu suizidieren, stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren wegen psychischer Probleme des Angeklagten ein.
Opfer-Täter-Umkehr?
Vor Gericht erleben Opfer nicht selten eine Opfer-Täter-Umkehr, gefühlt wird den Täterinnen und Tätern mehr Schutz durch Gesetze geboten als den Geschädigten. Der Ethikverein schätzt, dass 80 Prozent der in der Therapie geschädigten Patientinnen und Patienten eine weitere Therapie brauchen, zehn Prozent werden durch die Schädigung stationär behandlungsbedürftig. Alexandra und Max lernen sich im Februar 2024 bei einem Treffen des Ethikvereins persönlich kennen.